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Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0036
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ULRICH HUSSONG

zum Gehorsam aufzurufen. Da in der Stadt zur Er-
mordung aller Protestanten und des (katholischen)
Stadtdirektors aufgerufen wurde, schien es dem
Kammerpräsidenten in Heiligenstadt ratsam, die
Unterkirche nur unter militärischem Schutz an die
Protestanten zu übergeben. Der Staatsrat in Berlin
beschloß jedoch am 7. Oktober 1806, auf den Ein-
satz von Militär zu verzichten und die Übergabe
der Kirche deshalb einstweilen auszusetzen.339’ —
Nur kurze Zeit später wurde Duderstadt von Preu-
ßen an das Königreich Westphalen abgetreten. 1808
erhielten die Protestanten endlich die Servatius-
Kirche übereignet.
Die verfassungsrechtliche Stellung Duderstadts,
so wie sie vor dem Dreißigjährigen Krieg bestanden
hatte, wurde nach 1648 wiederhergestellt. Gewisse
Befürchtungen der Duderstädter, die 1642 um Er-
neuerung der Privilegien ersuchten und zur Ant-
wort erhielten, diese würden anläßlich der Huldi-
gungen ausgefertigt werden, stellten sich ein, als die
Huldigungen in der alten Form nicht nur in Kriegs-,
sondern auch in Friedenszeiten unterblieben.340-1
Tatsächlich stellte die erzbischöfliche Kanzlei die
letzte Privilegienbestätigung 1605 aus (und die
Stadt einen Huldigungsrevers)341’, danach nur noch
Lehnsurkunden über Brochthausen, Kreterode
und das Huxthal.342’ Daher beauftragten die Land-
stände des Eichsfeldes eine Delegation, der auch
ein Mitglied des Duderstädter Rats angehörte, Pri-
vilegienbestätigungen zu bewirken. Der Erzbi-
schof ließ daraufhin bekannt machen, daß er die
hergebrachten Privilegien einzuhalten gedenke.343-1
Auch im äußeren Erscheinungsbild der Stadt
9 wurde der alte Zustand wiederhergestellt. Die im
Krieg teils geschleiften, teils eingefallenen Befesti-
gungen Wall und Stadtmauer wurden auf mainzi-
schen Befehl mit Hilfe der Landschaft und unter
Rückgriff auf Frondienste wiederhergestellt.344-1
Die Reformen der Ratsverfassung
im 18. Jahrhundert
1778 wurde die städtische Verwaltung grundle-
gend umgestaltet.345’ Der seit Jahrhunderten über-
kommene jährliche Wechsel von altem und neuem
Rat, bestehend aus je zwölf Mitgliedern, wurde ab-
geschafft. Die Spitze der Verwaltung und Vorsit-
zender des Rates blieb nach wie vor der Schultheiß;
neben ihm saßen zwei Bürgermeister und zwölf
Ratsherren im Kollegium, „worzu wenigstens drey
aus der dasigen protestantischen bürgerschafft zur
erhaltung der bürgerlichen eintracht unter den bey-
den religionsverwandten bey der wähl genommen,
die übrige 10 stellen aber für das zukünftige erlo-
schen seyn sollen.“346-1 Der Rat wurde also verklei-
nert und zu einem ständigen Gremium ausgestaltet
und zugleich die Beteiligung der Protestanten vor-
geschrieben.

Wie in anderen Städten des Kurfürstentums be-
saß der Stadtrat die Kompetenz für Polizeiangele-
genheiten, die sich bis zur Überwachung der
Märkte erstreckte. Untersuchungen und Verfügun-
gen traf der gesamte Rat.347’ Dem Duderstädter
Magistrat wurden zusätzlich die Kriminalfälle und
alle Zivilgerichtsfälle mit einem Streitwert unter 20
Reichstalern übertragen. Alle Angelegenheiten, die
der Rat als Stadtgericht bearbeitete, wurden vor das
Justizdepartement des Rates getragen, bestehend
aus dem Schultheißen als Vorsitzendem und zwei
rechtsgelehrten Ratsherren und beiden Bürgermei-
stern, sofern diese Jura studiert hatten. Kandidaten
für das Justizdepartement mußten bereits vor der
Wahl examiniert sein; es war unerheblich, an wel-
chem Ort sie das Bürgerrecht erworben hatten. Ge-
richtssitzungen fanden zweimal wöchentlich statt
(montags und freitags), sie waren von den Sitzun-
gen des Rates getrennt zu halten. Der erste gelehrte
Rat amtierte zugleich als Syndikus, der zweite als
Revisor der Vormundschaftsrechnungen.348’
Die übrigen Geschäfte des Rates wurden unter
die zehn noch verbleibenden Ratsherren so aufge-
teilt, daß fünf für die politischen und fünf für die
ökonomischen Angelegenheiten zuständig waren.
Unter „Politica“ verstand man „die Aufsicht über
das, was zur Sicherheit, Zierde, Bequemlichkeit
und Ordnung der Stadt gehört“349’, so die „Direc-
tion des Nahrungsstandes“, die Aufnahme in die
Bürgerschaft, das Forst-, Brau- und Bauwesen350-1,
nicht jedoch die Verfassung der Zünfte, die dem Rat
insgesamt vorbehalten blieb.351’ Das ökonomische
Departement übernahm die Inspektion über den
Weinschank, das Waisenhaus, Hospitäler und
fromme Stiftungen, die Ratsgüter, Grundstücke,
Viehherden und -weiden, Brunnen und Häuser.
Zur Revision der Kämmereirechnungen wurde ein
eigenes Unterdepartement gebildet, bestehend aus
dem ältesten Bürgermeister und zwei Ratsherren
aus dem ökonomischen Fach. Sie sollen, so die
Dienstinstruktion, in Zukunft ein eigenes Zimmer
auf dem Rathaus erhalten und in diesem „zwey
wohlverwahrte Kisten“, worin die Gelder, die an
den Landesherrn abzuführen sind, und die Kämme-
reieinkünfte gesammelt werden, „alsdann unter
zwey oder drey verschiedene Schlosser zu verwah-
ren“.3’2’ — Alle Ratsherren der ökonomischen und
politischen Abteilung sollen Honoratioren der
Stadt sein, auf Bildung muß nicht unbedingt Wert
gelegt werden.353’ Gewählt wurden sie nach Tod
oder Weggang eines bisherigen Ratsmitgliedes.354’
Der Schultheiß erhielt das Recht eingeräumt, Sa-
chen der Polizei und Ökonomie (also alle außer
den Gerichtsfällen) noch einmal zur Entscheidung
zu bringen und an die kurfürstliche Regierung des
Eichsfeldes, die nächsthöhere Instanz, zu appellie-
ren. Ohne sein Wissen durfte kein Schriftstück aus-
gefertigt werden.355’ Er saß zugleich dem kurfürstli-

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