Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0088
License: Creative Commons - Attribution - ShareAlike

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
HORST MASUCH

78

68

69

114


69 Der Torbogen an der Einfahrt zum Hof trägt im Scheitel
eine Maske mit der Jahreszahl 1598 als Bauinschrift.

Werk der beiden Steinmetzen Vorwiß und Colst,
und es bleibt zum Schluß nur noch die interessante
Frage, wem das Steinmetzzeichen zuzuordnen ist,
das diskret, aber deutlich im Obergeschoß in den
östlichen Pfeiler geschlagen ist. Es ist dasselbe Zei-
chen, das zweimal auf den Gewändesteinen des
Portals von 1533 zu finden ist.
Die Rathausmauer und die Schärpenburg
Im Süden an das Rathaus anschließend wird eine
Hoffläche durch eine Natursteinmauer vom übri-
gen Markt abgetrennt. Das rundbogige Tor in der
östlichen Flucht der Mauer trägt in seinen Schluß-
steinen neben einer Maske die Jahreszahl 1598.
Diese Jahreszahl bezeichnet zunächst nur die Er-
richtung eines neuen Tores, das sich auch durch die
Behandlung der Gewändesteine — glatte Quader
wechseln sich ab mit hervortretenden Bossenqua-
dern — als Architektur dieser Zeit ausweist. Die
Mauer selbst ist älter. Das Tor wurde anläßlich des
Wiederaufbaues jenes Teils der Mauer erbaut, die
am Marstall umgefallen war. Da der östliche Mauer-
zug — wohl mit Rücksicht auf das Tor — höher ist
als der südliche und westliche, wird nur der Mauer-
teil erneuert worden sein, in dem sich das Tor befin-
det. Das könnte ein Anhaltspunkt dafür sein, daß
zu jener Zeit in dem inneren Winkel zwischen dem
östlichen und dem südlichen Mauerzug der Mar-
stall gestanden hat. An dieser Stelle steht heute ein
eingeschossiges, massives Gebäude, dessen östliche
und südliche Außenwand die Hofmauer bildet. Das
Gebäude wird vom Volksmund „Scherbenburg“
genannt, in Anlehnung an die richtige Bezeichnung
„Schärpenburg“. Auf dem Platz dieses Gebäudes
muß aber, schon bevor die Mauer gebaut worden
ist, ein Gebäude gestanden haben. Der südliche
Mauerzug knickt etwas nach Norden ein, um den
Anschluß an dieses Gebäude herzustellen.
1983 wurde der westliche Teil der Südmauer, auf
den sich das Obergeschoß eines Fachwerkgebäudes
stützt, abgetragen und aus dem gleichen Material
wieder aufgemauert. Auch der nach Osten an-

schließende Teil der Mauer mußte 1986 bis an das
Eckgebäude heran abgetragen und wieder aufge-
baut werden. Eine Linde im Hof hatte sich gegen
die Mauer abgestützt und das Mauerwerk nach
außen gedrückt. Beim Wiederaufbau der Mauer
stellte sich heraus, daß für den Bau der Mauer teil-
weise Werksteine benutzt worden waren, von de- 74
nen einige Steinmetzzeichen tragen. Die Maurer
haben diese Steine jetzt so versetzt, daß die Stein-
metzzeichen von außen zu sehen sind. Es sind die
ältesten bisher am Rathaus gefundenen Zeichen.
Ihrer Struktur nach könnten es romanische Stein- 75
metzzeichen sein.
Die Schärpenburg — die zeitgenössische Be-
zeichnung ist auch „Scharffenburg“ — wurde als
Gefängnis in den Jahren 1727 bis 1729 erbaut. In
den Bauabrechnungen wird dieses neue Gefängnis
„Gertrudenburg“ genannt. Es diente als Ersatz für
ein unter diesem Namen schon 1688 erwähntes
Gefängnis. Die alte Bezeichnung — abgeleitet viel-
leicht von der Hl. Gertrud als der Schutzheiligen der
Gefangenen — wird gelegentlich noch bis 1783
erwähnt, doch ab 1732 setzt sich hauptsächlich der
Name Schärpenburg — möglicherweise entstanden
durch Tradierung der bereits 1473 bis 1478 in den
Rechnungsbüchern belegten Bezeichnung des
Scharfrichters als „Scherpen-“ bzw. „Scharpenrich-
ter“ — für das Gefängnis durch. Es ist nicht un-
wahrscheinlich, daß die Gertrudenburg als Gefäng-
nis ursprünglich in dem früheren Marstall an der
Hofmauer eingerichtet wurde, der für diesen
Zweck ab 1675 nicht mehr benötigt wurde.
1985 wurde in der Schärpenburg die Transforma-
torenstation eingebaut, die bis dahin nicht sehr
glücklich in der Südlaube des Rathauses unterge- 147
bracht war und die Südansicht beeinträchtigte. Vor-
her waren in diesem kleinen Gebäude öffentliche
Toiletten und — entfernt an die frühere Nutzung
erinnernd — ein Schlafraum für Stadtstreicher ein-
gerichtet. Häufige Umbauten haben Türen, Fenster
und die innere Aufteilung zu sehr verändert, als daß
noch Aufschlüsse über die ursprüngliche Ausbil-
dung als Gefängnis zu gewinnen wären.
Hinter der Rathausmauer scheinen sich noch an-
dere Baulichkeiten versteckt zu haben, die gele-
gentlich erwähnt werden, z.B. ein Wagenstall
(1582, 1632), aber auch ein Hühnergatter (1572) und
ein Gänsestall (1598).

Die Rathauserweiterung im 17. Jahrhundert
Im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts erfolgte
die letzte wesentliche Erweiterung des Rathauses,
als im Hof ein zweigeschossiges, 15 Fach langes 70
Fachwerkgebäude errichtet und die Treppe an der 71
Westseite der Laube durch Bildhauerarbeiten be- 72
reichert wurde. Bei den Baumaßnahmen der Jahre

84
 
Annotationen