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Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0141
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RATHAUSBAU DES MITTELALTERS

ist andernorts für das 13. Jahrhundert, aber auch
noch für spätere Zeit, vereinzelt bezeugt.75 Selbst
die nachträgliche Verlegung des Rathauses an einen
anderen Standort, wie für einzelne Städte überlie-
fert,8' ist auch für Duderstadt nicht gänzlich auszu-
schließen, auch wenn keinerlei konkrete Hinweise
auf eine derartige Möglichkeit vorliegen.
Völlig ungeklärt ist auch die Frage nach den ein-
zelnen Nutzungsarten, denen bereits bei einem für
das 13. Jahrhundert denkbaren Ursprungsbau des
Rathauses hätte Rechnung getragen werden müs-
sen. Die älteste eindeutig auf das Rathaus zu bezie-
hende Erwähnung,9' die aber erst aus einer sehr viel
späteren Zeit, nämlich aus dem Jahre 1396, da-
tiert,10' spricht von einem Kaufhaus (couphus). Dies
weist zweifellos auf eine der wichtigsten Funktio-
nen mittelalterlicher Rathäuser neben der eigent-
lichen Aufgabe als Verwaltungs-, Gerichts-, Ver-
sammlungs- und Repräsentationsstätte des Rates
bzw. der Bürgerschaft hin: auf den Verkauf und
auch das Stapeln von Waren der städtischen Kauf-
leute und Handwerker.11' Insofern ist dieses Wort
hier wie anderswo zunächst nur als eines der relativ
zahlreichen Synonyme für die Bezeichnung „Rat-
haus“ zu verstehen, die uns in den mittelalterlichen
Schriftquellen begegnen.12'
Aber waren denn überhaupt in Duderstadt
schon von Anfang an Handel und Verwaltung und
vielleicht noch die städtische Gerichtsbarkeit in
einem einzigen Gebäude oder Gebäudekomplex
zusammengefaßt? Oder waren hier zunächst diese
Funktionen baulich und vielleicht sogar topogra-
phisch voneinander getrennt? Gerade für diese
Möglichkeiten gibt es zahlreiche Beispiele, vor
allem bei den frühen Stadtgründungen und bei den
mittelalterlichen „Großstädten“.13'
War, so wird man weiter fragen müssen, in Du-
derstadt anfangs als wichtigstes bürgerliches Ge-
bäude ein Kaufhaus vorhanden, dem erst nachträg-
lich auch die Funktion eines Rathauses zugelegt
wurde? Zu einer derartigen Feststellung über die
allgemeine Entwicklung in der Geschichte des
deutschen Rathausbaues kommt jedenfalls Ger-
hard Nagel in seinem Werk über das mittelalterliche
Kaufhaus:14' „Der erste repräsentative kommunale
Bau pflegte ein Kaufhaus zu sein für Lebensmittel-
verkauf und Tuchausschnitt, von dem der Rat dann
auch Gebrauch machte . . . Der im Spätmittelalter
wachsende Verwaltungsapparat der Stadt, begin-
nend mit der Anstellung eines Stadtschreibers (seit
dem Ende des 13. Jahrhunderts) . . . , führte zur
Einrichtung von Kanzleiräumen im Kaufhaus, das
in seiner ursprünglichen Funktion immer mehr ein-
geengt wurde.“ Selbst wenn diese summarische
Aussage, die Nagel bei Erörterung der Einzelbei-
spiele erheblich differenziert, in dieser stark ver-
kürzenden Form dem außerordentlich komplexen
Erscheinungsbild nur teilweise gerecht wird,15'


153 Duderstadt, Rathaus, Ansicht von Nordosten,
Zustand 1988.

scheint das Wesentliche der Entwicklung richtig ge-
troffen zu sein: nämlich daß das Rathaus als Mehr-
zweckbau des Handels und der Verwaltung erst
eine Baugattung des Spätmittelalters, beginnend
mit dem 13. Jahrhundert, zu sein scheint. Die Be-
zeichnung „Kaufhaus“, wenn wir sie in Duderstadt
auch bereits für das 13. Jahrhundert gelten lassen
wollten, bedeutet also nicht zwangsläufig, daß da-
mit zugleich schon ein Gebäude mit Funktionen
des Rates, der städtischen Verwaltung gemeint war.
Der im Duderstädter Rathaus enthaltene Kern-
bau, der — wie wir heute wissen — fälschlich von
Paul Lehmgrübner in seinem grundlegenden Werk
über die Baugeschichte des Gebäudes als spät-
romanischer Bau der Zeit um 1225 angesehen wor-
den ist,16' läßt immerhin mit der Bausubstanz seiner
Südwand zweierlei erkennen: erstens einen Wech-
sel der Bauabsicht, die anfänglich von einem weiter
südlich zu errichtenden Baukörper ausging und
deshalb diese Südwand als nördliche Außenwand
des vorgesehenen Neubaues beginnen ließ, und
zweitens die Rücksichtnahme auf ein damals im Be-
reich des späteren Ratsstuben-/Ratskellerannexes
bestehendes Gebäude. Ob es sich dabei um einen
Vorgängerbau des Rathauses, der im zutreffenden
Fall tatsächlich dem 13. Jahrhundert angehört
hätte, oder um ein in die Planung einbezogenes Ge-

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