Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0165
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Martin Thumm

Das denkmalpflegerische Konzept
zu den Baumaßnahmen 1983 — 1987

Die Sanierung eines Baudenkmals wie des Duder-
städter Rathauses erfordert nach Abschluß der
Maßnahmen eine zusammenfassende Darstellung
der denkmalfachlichen Überlegungen und Ent-
scheidungen, welche die Baumaßnahmen begleitet
haben. Dies ergibt sich nicht nur aus der Verpflich-
tung zur Rechenschaft gegenüber der Öffentlich-
keit, sondern auch aus der Notwendigkeit, solche
umfassenden Sanierungsmaßnahmen an einem
Kulturdenkmal dieser Bedeutung als Gelegenheit
zu nehmen, denkmalpflegerische Grundsätze im
allgemeinen und unter den Bedingungen dieses Fal-
les zu betrachten.
Zunächst muß der Standort bestimmt werden,
nach dessen allgemeingültigen Regeln Denkmal-
pflege heute fachlich vollzogen wird. Dabei müssen
angesichts einer erst seit zwei Jahrzehnten wieder
wachsenden, systematisch differenzierten Diskus-
sion über Denkmalpflege auch Grundsatzfragen
noch als fließend angesehen werden. Dies bedeutet
jedoch weder das Fehlen eines klaren Rahmens und
fester Übereinkünfte, innerhalb derer sich Denk-
malpflege heute abspielt, noch, daß die seit dem
Aufkeimen der Denkmalpflege vor knapp 200 Jah-
ren geführten Diskussionen nicht mehr aktuell
wären. Anfang des 19. Jahrhunderts verbanden sich
das neue Verhältnis zur Geschichte in der Folge der
Aufklärung und insbesondere die Hinwendung zu
den nationalen Denkmalen einer gerade wieder be-
freiten deutschen Nation mit den Namen Gilly,
Schinkel, Boisseree, Heideloff, Moller und von
Quast, dem ersten 1843 bestallten Denkmalpfleger
in Preußen, und seinen Kollegen. In der Folge des
ersten „Tages für Denkmalpflege“ 1899 war es
Georg Dehio, der sich in einer heftigen Kontro-
verse mit Alois Riegl über Gründe, Aufgabe und
Sinn der Erhaltung der Altertümer auseinander-
setzte und die Weichen stellte für die Zukunft der
Denkmalpflege. Dehios „Erinnerungswert“ als
ein in geschichtlichem Inhalt und Bedeutung zu

respektierendes Allgemeingut stand gegen Riegls
„Alterswert“ als rein antipodisch ausgleichendes
Moment in einer fortschrittsbelasteten Gesell-
schaft und ist noch heute Grundlage der Denkmal-
bewertung und Denkmalpflege. In der pointierten
Überzeichnung des Rieglschen Ansatzes: Hauptsa-
che, es ist alt! wird deutlich, wie aktuell diese Dis-
kussion auch in der Gegenwart noch ist. Entgegen
der Reduzierung auf einen reinen Alterswert bein-
haltet der Erinnerungswert den Auftrag zur Ein-
ordnung und Bewertung von historischen Zusam-
menhängen und damit auch zur Unterscheidung
zwischen Erhaltenswertem und Verzichtbarem. So-
mit ist auch die detaillierte Kenntnis des Gegen-
standes und seine geistige Durchdringung als Basis
für alle Entscheidungen zwingend vorausgesetzt.
Ohne diese Zusammenhänge ist Denkmalpflege
auch heute nicht denkbar, sie sind Grundlage denk-
malpflegerischen Handelns.
Die aus dem Erinnerungswert abgeleitete Pflicht
zur Erhaltung des Originals als gesamtheitliche Ge-
schichtsaussage gipfelte in dem Postulat: „Konser-
vieren statt Restaurieren!“, dem auch Dehio sich
verpflichtet fühlte und das er erneut und endgültig
in die Denkmalpflege einbrachte. Denn nachdem
der restauratorische Übereifer eines neu erwachten
Nationalstolzes an den Denkmalen mehr substan-
tiellen Schaden als Nutzen gebracht hatte — der Be-
griff des „vandalisme restaurateur“ machte damals
die Runde —, wandte man sich zunehmend dem
konservatorischen Schutz der historischen Bau-
werke zu, anstatt immer wieder die erneuernde
Rückführung auf vermeintliche Ursprungszu-
stände vorzunehmen.
Die baugeschichtliche Beschreibung und Würdi-
gung des Rathauses Duderstadt durch den Baumei-
ster Paul Lehmgrübner und die Restaurierung
durch das Büro Conrad Wilhelm Haases um die
Jahrhundertwende sind recht gut überliefert. So
war der Blick geschärft für eine kritische Distanz

161
 
Annotationen