Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0215
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Wolfgang Fünders

Die Untersuchungstechnik zur Ermittlung
originaler Polychromie am Beispiel
der hölzernen Figuren am Rathaus

Arbeitsmittel und Arbeitsweise bei der Erfor-
schung originaler Farbigkeiten werden hier am Bei-
spiel der Figuren des Treppenaufganges am Duder-
städter Rathaus skizziert. Zur Verfügung stand ein
Mikroskop der Firma Zeiss, Typ WL, mit 50—500-
facher Vergrößerung sowie Fluoreszenzfilter und
Köhlerscher Blende. Das im Fototubus befindliche
Objektiv zeichnete sich durch besondere Licht-
stärke und ein gutes Auflösungsvermögen aus, da-
durch wurde eine in diesen Bereichen ungewöhnli-
che Tiefenschärfe erreicht. Fotografiert wurde mit
einer Olympus OM 4 Ti, die den Vorzug einer Zeit-
automatik mit sehr langen Belichtungen (bis zu vier
Minuten) für lichtschwache Details bietet. Die in
diesem Band veröffentlichten Fotos wurden mit
dem Kodakfilm Ektachrome 50 für Farbdiapositive
aufgenommen. Insgesamt wurden 215 Proben ent-
nommen, davon der weitaus größere Teil vor den
Freilegungsarbeiten, ein kleiner Teil zur Vervoll-
ständigung danach.
Die Entnahmestellen befanden sich an möglichst
unverwitterten Partien, etwa an Überschneidun-
gen. Es handelte sich hierbei nur um sehr minimale
Holz- und Fassungsteilchen, die mit dem Skalpell
abgeschabt wurden. Zu einer Probe gehörten somit
ca. 50 — 100 kleinste Partikel, die auf Fassungsreste
hin überprüft wurden. Das bedeutete einen Zeitauf-
wand pro Probe inclusive schriftlichem Protokoll,
gegebenenfalls einem oder mehreren Fotos und
dem Ausmischen des Farbtones von etwa einer
Stunde. Diese Dokumentation der Untersuchung
versetzte den Restaurator vor Ort erst in die Lage,
die Ergebnisse praktisch umzusetzen.
Auch nach der Restaurierung könnten ohne grö-
ßeren Schaden weitere Proben zur Vervollständi-
gung oder zur Gegenprobe entnommen werden.
Mit einer Retusche würden die Entnahmestellen
anschließend wieder geschlossen. Auf Grund der
zur Verfügung stehenden Mittel konnte nur die
oben genannte Anzahl von Proben untersucht wer-

den. Dabei hätte die Größe und Vielfalt des Objek-
tes eigentlich mehr Entnahmepunkte verlangt, um
zum Beispiel auch Gegenproben durchführen zu
können oder um zu untersuchen, ob im Bereich der
Ornamente nicht noch reichhaltigere farbliche Ab-
setzungen vorhanden waren.
Die Auswertung unter den genannten Vergröße-
rungen, bei denen man Einblick in die Struktur der
Bindemittel und Pigmente erhält, setzt vor allem
fundierte mineralogische Kenntnisse und ein in die-
ser Disziplin geschultes Auge voraus. Immer wie-
der müssen Vergleiche aus entsprechenden Fachbü-
chern herangezogen werden. Zweifelhafte Befunde
werden für eine Gegenkontrolle bei der Bundesan-
stalt für Geowissenschaften eingereicht. Das war in
diesem Falle allerdings nicht notwendig. Unter
normalen Umständen übertrifft eine solchermaßen
durchgeführte Untersuchung die Möglichkeiten
des einzelnen Restaurators.
Auf ein Eingießen der Probepartikel in ein Harz,
wie bei Anschliffen üblich, wurde verzichtet, da
dies sowohl die Farbwerte als auch das arttypische
Erscheinungsbild der verschiedenen Materialien
verändert und die Möglichkeit nimmt, jedes Korn
von allen Seiten zu betrachten. Beim Mikroskopie-
ren befindet sich die Probe auf einem Deckgläschen.
Anfangs wird mit einer schnelleren Durchsicht
mehrerer Proben versucht, eine Schichtenabfolge
der einzelnen Fassungen möglichst vollständig bis
hin zur jüngsten Fassung zu erhalten. Auf diese
Weise werden, ähnlich wie in der Geologie oder
Archäologie, mehrere Leitschichten festgelegt, zu
denen andere immer wieder in Relation gesetzt
werden können. So rundet sich das Erscheinungs-
bild der gesuchten Schicht mit ihrer Bindemittel-
zusammensetzung und der Art und dem Aussehen
ihrer Pigmente ab. Gerade bei älteren Fassungen
wird dies durch den relativ sparsamen Einsatz ver-
schiedener Pigmente erleichtert.
In den meisten Fällen hatten sich aber bei diesem

211
 
Annotationen