Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Fenger, Ludvig Peter
Dorische Polychromie: Untersuchungen über die Anwendung der Farbe auf dem dorischen Tempel (Text) — Berlin, 1886

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3957#0007
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
an der Debatte vom Anfang bis zum Ende dadurch gelitten habe, dass er sich zu eng an dies einzelne
Monument gebunden hat.

Es hat sich durch die Ausgrabungen und Vermessungen, die Cavallari später für den Herzog
v. Serradifalco und dessen grosses Werk Antichita detta Sicilia unternahm, herausgestellt, dass der Bau
nicht, wie Hittorff vermuthet hatte, ein viersäuliger Tempel, sondern ein Tempel mit zwei Säulen
in antis war. Ein ganz ähnlicher scheint nahebei gelegen zu haben, und beide gehören wahrscheinlich
einer Zeit an, wo, wenn auch noch nicht Sicilien eine römische Provinz (210v.Chr.), Selinunt doch zum
zweiten Mal, kurz vor 249 v. Chr., im ersten punischen Kriege zerstört worden war.

Hittorff hat den von ihm gezeichneten Säulenfuss nicht gefunden, und das Kapital ist ein von
Angell und Harris nach dem Museum in Palermo gebrachtes ionisches Kapital, von welchem Hittorff
nach der Aussage der unwissenden Aufseher in Selinunt annahm, dass es nahe an dem kleinen Tempel
gefunden sei. Die blauen Triglyphen wurden erst später von Cavallari nachgewiesen. Die Terracotta-
fragmente aus Akra, deren Motive er für die Dekoration des Architravs und der Metopen benutzte,
gehören einer viel späteren Zeit an — kurz die von Hittorff in Selinunt gefundenen Reste sind ihm
eigentlich nur ein Substrat für seine Dekorationsversuche gewesen, und diese laden vielfältig zur
Kritik ein.

Obwohl man also mit Grund sagen darf, dass Hittorff in seinen Bestrebungen, eine Total-
anschauung von einem dorischen Tempel zu schaffen, sein Material aus den verschiedensten, in der Zeit
weit auseinander liegenden Gegenden der antiken Kunst gesammelt hat, so muss man doch auf der
anderen Seite gestehen, dass er dieses bunte Material mit nicht geringer Mässigung benutzt hat, und man
darf jedenfalls nicht vergessen, dass er auf diesem Felde eine neue Bahn brach. Als der Streit, wie wir
bald hören werden, entbrannte zwischen denjenigen, welche auf die weissen Tempel hielten, und den-
jenigen, die sie gänzlich bemalt haben wollten, behauptete er fortwährend, dass die Hauptmasse der
sicilischen Tempel gelb war. Mag er nun hierin Eecht haben oder nicht — genauer betrachtet hat dies
nicht viel zu sagen. Der Grund mag "Weiss oder mit Gelb gebrochenes Weiss gewesen sein — Hittorff
setzte jedenfalls seine farbigen Ornamente dunkel auf einen hellen mit diesem gar nicht verwandten
Grund und wird insofern immer Recht behalten müssen.

Von Hittorff wenden wir uns jetzt zu dem anderen Fürsprecher der Farben, G. Semper. Er
war 1803 in Hamburg geboren, studirte zuerst in Göttingen die Mathematik und die alten Sprachen,
wählte aber 1825 die Architektur zu seinem Lebensberuf und ging nach München, wo er jedoch nicht
lange Zeit verblieb. In Eegensburg, wo er an den Vermessungen des Domes Theil nahm, soll er in ein Duell
verwickelt worden sein und wurde dadurch genöthigt nach Paris zu flüchten. Hier verweilte er vom
Jahre 1826 bis Ende 1827, machte mit dem Kölner Gau Bekanntschaft, welcher die grosse französische
Beschreibung von Aegypten mit den Monumenten von Nubien fortgesetzt und sich dabei vielleicht seine
eigene Meinung über farbige Plastik gebildet hatte. Im Jahre 1829 kehrte Semper zu einem zweiten bis
Ende 1830 ausgedehnten Aufenthalt wieder nach Paris zurück, arbeitete in Gau's Atelier und wird wohl
auch mit Hittorff's Arbeiten und der durch diese hervorgerufenen Bewegung bekannt gewesen sein.
Von Paris aus trat er eine Studienreise nach Athen an und traf hier, wo eine türkische Garnison die
Akropolis noch besetzt hielt, seinen Freund, den Architekten Jules Goury, der mit dem Engländer
Oven Jones die Alhambra vermessen und gezeichnet hatte. Goury war auch in Athen mit Dekorations-
studien beschäftigt, ob etwa auf dem Parthenon wage ich nicht bestimmt zu sagen, denn das Gebälk des
Parthenon lässt sich nur von einem Gerüste aus untersuchen. Die beiden Künstler studirten mit ein-
ander den viel kleineren Theseustempel, wo eine lange Leiter überall hinaufreicht, und fanden durch
 
Annotationen