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Fenger, Ludvig Peter
Dorische Polychromie: Untersuchungen über die Anwendung der Farbe auf dem dorischen Tempel (Text) — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.3957#0013
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II.
System der Polychromie.

Wie aus dem gegebenen Ueberblick hervorgehen wird, theilen sich die Ansichten über die
Verwendung der Farben in zwei oder, wenn man will, in drei Hauptansichten, indem Semper und seine
Anhänger eine durchgängige Färbung nicht nur gewisser Einzelheiten, sondern des ganzen architektonischen
Gerüstes voraussetzen, Kugler das Letztere weiss annimmt, und Hittorff mit mehreren französischen
und deutschen Architekten das Weiss durch irgend eine gelbe Beize oder Farbe mehr oder minder
gebrochen, wenn nicht aufgehoben, wissen wollen. Wie gesagt, verliert man, wenn man Semper folgt, jede
Anknüpfung an ältere (ägyptische) und jüngere (pompejanische) Kunst, und die griechische Polychromie
würde ganz vereinzelt dastehen, wenn es auch möglich wäre, die einzeln gefundenen Farbenspuren
harmonisch an einem so gefärbten Gerüst zusammenzustellen. Von dem gelben Gerüste gilt eigentlich
das Gleiche, wenn das Gelb als solches- aufzufassen wäre, aber gegen eine Abstumpfung des allzu-
schneidenden Weiss würde selbst Kugler prinzipiell Nichts einzuwenden haben. Jedenfalls können
die kräftigen Farben Blau und Roth viel besser auf einen gelben als auf einen bläulichen Grund
aufgesetzt werden. Dass aber kräftiges Blau und Roth sich zusammen auch auf weissem Grunde sehr gut
machen, wird ja Niemand leugnen können, der z. B. erkannt hat, wie schön rothe und blaue Stickereien auf
weisser Leinwand aussehen. Was die mit Stuck überzogenen sicilischen Tempel betrifft, so ist es wohl
mindestens fraglich, ob nicht der Stuck durch Verschüttung mit Erde oder durch Tränkung mit Wasser
gelb geworden ist; hinsichtlich der Marmortempel, ob nicht die meisten griechischen weissen Marmore,
besonders der pentelische von der Witterung eine gelbe Tönung bekommen, die jede Härte ausschliesst,
so dass eine allgemeine Beize mit oder ohne Enkaustik gar nicht nothwendig wird. Eine enkaustische
Bemalung des ganzen Tempels ist deshalb nicht einmal wahrscheinlich, weil der Marmor ja, wie es scheint,
eben auf Grund der an einigen Stellen mangelnden Wachsfarbe ungleich zerfressen ist. Es muss auch
berücksichtigt werden, dass die Darstellungsweise der weissen Tempel auf weissem Papier ihren Antheil
an unseren Vorstellungen von antiker Polychromie haben mag. Viele Künstler, die mit Kugler ganz
einverstanden sein mögen, haben sich gelber Tinten in ihren Zeichnungen bedient, nicht um damit
eine gelbe Farbe oder Bemalung anzudeuten, sondern um Licht und Schatten auf dem weissen Marmor
nachzuahmen. Insofern also Kugler behauptet hat, dass das architektonische Gerüst des griechischen
Tempels im Ganzen und Grossen weiss geblieben sei, wird er gewiss immer mehr Anschluss finden und
Recht behalten. Er hat aber ein System der Polychromie aufstellen wollen, namentlich mit Hinblick
auf den dorischen Tempel, das sich nur schwer vertheidigen lässt, und das er selber beinahe aufgegeben hat.
Während er nämlich in seiner ersten Abhandlung zwischen dem architektonischen Gerüste und
den ausfüllenden Flächen unterscheidet und die Farbe eigentlich nur für die letzteren zugiebt, und weil
er die Triglyphen als Stützen zwischen Architrav und Geison betrachtet, diese weiss haben möchte —
 
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