Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 4,1.1924

DOI Artikel:
Hoeßlin, Julius Konstantin von: Nationale und internationale Kunst: eine psychologische Studie
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.42396#0026
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
eigentlichen Kunstschaffens. Kunst ist Gestaltung des Seelischen. Seelisches verkörpert
sich — mittels handwerklicher Technik — in Formen, die sein restloser Ausdruck sind.
Wie ist nun aber dieses seelische Schaffen, das sich in Formen (Raumgestalten, Farben-
akkorden, Raummelodien, ornamentalen Linienbeziehungen) objektiviert? Ist es
seinem Wesen nach national gefärbt, oder trägt es den Stempel der Internationalität?
Wir berühren eine Frage, die nur psychologisch zu beantworten ist. Die allgemeine
Psychologie erforscht die seelischen Funktionen und Eigenschaften, die allen Menschen
gemeinsam sind. Jeder Mensch bildet Begriffe, urteilt, vermag Unterschiede und


MAX PECHSTEIN STILLEBEN MIT BILDNIS
Ausstellung Deutsche Kunst, Darmstadt 1923

Ähnlichkeiten zu erfassen, vollzieht Wertungsakte. Und man kann hinzufügen, daß
es auch gewisse Zielrichtungen des Gemüts- und des Willenslebens gibt, die allen
Menschen gemeinsam sind; jeder Mensch ist vom Selbsterhaltungsverlangen beherrscht,
jeder strebt irgendwie nach Anerkennung und Ehrung, und jeder Frau ist der Keim
einer Anlage zur Mutterliebe eingewurzelt. Aber die differentielle Psychologie und
die Charakterologie lehren uns andererseits, was jeder aus tausend Erfahrungen
weiß, daß diese allgemeinen Funktionen und Eigenschaften des Menschen bei jedem
einzelnen variieren.

24
 
Annotationen