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Polska Akademia Umieje̜tności <Krakau> / Komisja Historii Sztuki [Hrsg.]; Polska Akademia Nauk <Warschau> / Oddział <Krakau> / Komisja Teorii i Historii Sztuki [Hrsg.]
Folia Historiae Artium — NS 19.2021

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Boesten-Stengel, Albert: Ein Bildnis der Claude de France?: Antike und Heraldik in Leonardos Dame mit Hermelin
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https://doi.org/10.11588/diglit.59426#0032
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Folia Historiae Artium
Seria Nowa, t. 19: 2021/PL ISSN 0071-6723

ALBERT BOESTEN-STENGEL
Uniwersytet Mikołaja Kopernika w Toruniu

EIN BILDNIS DER CLAUDE DE FRANCE?
ANTIKE UND HERALDIK IN LEONARDOS
DAME MIT HERMELIN

Hier soll versucht werden, das Krakauer Bildnis aus sei-
ner modernen Identifizierung mit Cecilia Gallerani zulö-
sen. Besonders das Tier, mit Kenneth Clarks Worten sei-
ne „Serpentine pose“ und „heraldic dignity“, verlangt und
ermöglicht eine genauere Bestimmung des Stils, der Dar-
stellungsweise und des so Dargestellten. Dies schließt ein,
erneut nach der relativen Datierung suchen. Der Aufsatz
besteht aus fünf Teilen. Der erste bildet den Prolog: Bel-
lincionis Sonett auf Leonardos Porträt der Madona Cicilia
(vor oder bis 1692) will mit Philologie gelesen sein. Die
Verse beschreiben eine andere als die Krakauer Kompo-
sition. Auch wurde deren Tier keinesfalls später hinzu-
gefügt. Der maltechnische Befund deutet auf eine zügige
Ausführung ohne erhebliche Umstellungen hin. Als ihr
früher Zeuge in Oberitalien gilt die Lorenzo Costa zu-
geschriebene Dame mit Schoßhund in Windsor Castle.
Demnach könnte das Krakauer Gemälde als Ganzes noch
bis etwa 1508 entstanden sein.
Der zweite Teil bezieht sich auf die kunstvoll zusam-
mengesetzte und zugleich quasi bewegte Pose des Herme-
lins. Leonardo studierte zeichnerisch, wie die physische
Fortbewegung unterschiedlicher Tierarten in beständigen
Bildern darzustellen wäre. Seine Notizen verweisen inter-
textuell auf die neue lateinische Übertragung von Aristo-
teles’ Fortbewegung der Lebewesen um 1500 in Padua. Der
Zeichner koordinierte ein- und ausschwingende Umrisse
mit gebogenen Schraffen, welche die wechselnde Ein- und
Auswölbung des Leibes in Bewegung darstellen.
Der dritte Teil handelt davon, dass Leonardo sich die-
se Zeichenweise erstmals in Skizzen um 1504 in Florenz
zulegte. Sie beruht offenbar auf Filippino Lippis vorher-
gehenden Studien nach den neronisch-flavischen Wand-
malereien der Domus Aura in Rom. Leonardos über das
Zeichnen vermittelte Antikenrezeption ist an seinem Ent-
wurf für die Kniende Leda mit dem Schwan und auch an
dem Krakauer Hermelin zu erkennen.

Der vierte Teil fragt nach den Zeichen eines Auftrags
oder Anlasses, die an dem Krakauer Gemälde selbst abzu-
lesen wären. Die bewegte Pose und Handlung des Herme-
lins begünstigen eine heraldische Auslegung. Sie hat den
Vorzug, die bisher kaum beachtete Farbkomposition des
Gemäldes in den Blick zu nehmen. Wenn ich hier ein um
1507 entstandenes Bildnis der Claude de France (1499-
-1524) in ihrer zeitweiligen Rolle als designierter Erbin
der Lombardei und Liguriens erkenne, dann unter dieser
Voraussetzung.
Der fünfte Teil betrachtet drei genealogische Themen
mit weißen Tieren in den Hauptrollen, nämlich Schwan,
Hermelin und Lamm, die Leonardo in den ersten Jahren
des 16. Jahrhunderts entwarf. Wenn Claudes Vater König
Louis XII. sie vielleicht nicht unmittelbar vorgegeben ha-
ben sollte, so haben sie doch nach inneren Merkmalen
der Entwürfe in ihm ihren ideellen Adressaten.
BELLINCIONIS SONETT
AUF LEONARDOS MADONA CICILIA
Der Florentiner Bernardo Bellincioni, geboren im selben
Jahr wie Leonardo da Vinci (1452-1519), ist vor allem als
Dichter am Hof der Sforza in Mailand bekannt, wohin er
1485 übersiedelte und wo er am 12. September 1492 starb.
Kaum ein Jahr nach seinem Tod erschienen dort die Rime
DEL ARGVTO ET FACETO POETA BERNARDO BeLINCIONE
fiorntino1, darin enthalten das Sonett auf Leonardos
Bildnis der Madona Cicilia in folgender Schreibung:

1 B. Bellincioni, „Rime del arguto et faceto poeta Bernardo Belin-
cione fiorntino [sic!]“, Milano 1493. Kolophon: Impresso nella in-
clita citate de Milano per maestro Philippo di Mantegazi dicto el
Cassano alle spese d e gulielmo di rolandi di sancto nazaro grato
aleno del auctore del opera, 1493 a di quindeci de lulio. Das Buch

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