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VII KÖPFE UND TORSI UNSICHERER BENENNUNG
149 Unbärtiger männlicher Idealkopf Selguk, Efes Müzesi 762
Fundnr. 57/27
Taf. 116 a-d
Schutt vom Wasserreservoir beim Prytaneion; 1957
Grobkörniger hellgrauer Marmor, Oberfläche stark versintert
H 0,31 m. Kopfh. 0,295 m. Köpft. 0,277 m
Untergesicht, 1. Gesichtshälfte, Nase, große Haarpartie über dem 1. Ohr, auch Stücke am
Oberkopf und den Halsseiten abgeschlagen. Zahlreiche Bestoßungen und Abplatzungen.
Vierziger Jahre des 4. Jh.s v. Chr.
Unpubliziert
Dieser etwas überlebensgroße Kopf ist für Ephesos seiner Entstehungszeit wegen
ein — außerhalb der Skulpturen des jüngeren Artemisions — vereinzeltes kostbares
Zeugnis spätklassischen Kunstschaffens aus diesem Boden. Obwohl das Gesicht zum
Großteil — außer Stirn, rechtem Auge und Schläfe — abgeschlagen ist, bleibt genug von
der ursprünglichen lebendigen, kraftvollen Wirkung des Kopfes, der stark zu seiner Lin-
ken geneigt war. Das zwischen dem schmalen, vorspringenden Oberlid und dem breiten
Unterlid tiefliegende „skopasische“ Auge1 sitzt unter der vorgewölbten Unterstirn und
dem über der Stirn gesträubten kurzen „Athletenhaar“. Das knapp anliegende Haar ver-
teilt sich von einem exzentrisch liegenden Wirbel am Hinterkopf aus in dicken, sichelför-
migen, vielfach gekerbten und kräftig bewegten Lockenbüscheln. Feine, flachere Sichel-
löckchen sind hinter dem rechten Ohr (und wohl auch hinter dem linken) nach vorne
gestrichen. Die Haartracht in Verbindung mit den geschwollenen Ohren und dem kraft-
vollen Kopftypus lassen an Herakles oder einen Athleten denken2.
In der geschlossenen ovalen Kopfform (vgl. die Vorderansicht) sind dem ephesi-
schen Kopf etwa der Jüngling vom Ilissosrelief und der Kriegerkopf Nr. 18 — eine der
früheren Tegea-Skulpturen (vierziger Jahre des 4. Jh.s) — zu vergleichen3. In diese Zeit
ist auch das Original des dem Skopas zugeschriebenen Herakles Lansdowne anzusetzen,
der vergleichbaren Kopfumriß und knapp anliegende Haartracht mit Sichellocken
zeigt4. Der Umriß unseres Kopfes im Profil ist allerdings nicht so schönlinig und unge-
brochen, sondern an Stirn und Hinterkopf ausladend.
Für den ionischen Bereich läßt sich der jugendliche männliche, stark korrodierte
Kopf British Museum 1056 von der Südseite des Mausoleums von Halikarnass anführen,
in bezug auf den Kopfumriß in der Vorderansicht und die starke Kopfwendung, wobei
der ephesische Kopf sich wieder durch seinen kräftigeren Typus abhebt5. Stewart
hat auch diesen Kopf zum Kriegerkopf von Tegea gestellt8.

1 Zu dieser Bezeichnung zuletzt W. Geominy, Die Florentiner Niobiden, Diss. Bonn (1984) 233.
2 Vgl. hier Nr. 150.
 
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