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XI. Tierfiguren

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Freistehende Pferdestatuetten aus Bronze zählen in den meisten spätgeometrischen und früharchaischen
Heiligtümern des griechischen Festlandes zu den gängigsten Votivgaben. Werkstattkreise auf der Peloponnes,
in Böotien und in Attika stellten Pferdefiguren von jeweils charakteristischem Stil her1132, auch in Thessalien
und Makedonien scheint es eine eigenständige Produktion gegeben zu haben1133. Auf den Inseln der Ägäis
kommen Pferdestatuetten dagegen wesentlich seltener vor"34, und auch in Kleinasien gehören sie offensicht-
lich nicht zu den üblichen Weihegaben. Kat. 878 ist im Artemision von Ephesos auch das bislang einzige
Beispiel einer freistehenden, vollplastischen Pferdestatuette aus Bronze. Das Pferdchen kann mit keinem der
genannten großen Produktionszentren des griechischen Festlandes verbunden werden. Das etwas schwerfäl-
lige und wenig gespannte Erscheinungsbild unterscheidet die Figur von jenen Exemplaren und lässt eher Züge
einer nordgriechischen Werkstatt erkennen"35. Aufgrund des Fehlens ausreichender Vergleichsbeispiele sollte
die Herkunftsfrage vorerst besser offenbleiben.
XI. 1.3 Hirsch (Kat. 879, Taf. 83. 118)
Die Statuette eines Hirsches Kat. 879 ist bis auf die abgebrochenen Unterschenkel der rechten Seite und das fehlende Geweih der
linken Seite sehr gut erhalten. Der Hirsch ist in Schrittstellung dargestellt. Das erhaltene Hinterbein der linken Seite scheint an-
gehoben zu sein. Der Körper des Tieres ist fein modelliert und sehr naturalistisch wiedergegeben. Auch der Kopf ist sehr detail-
liert ausgeformt. Die Form des Geweihs lässt an einen Dammhirsch oder an ein verwandtes Tier denken.
Die Herkunft der Statuette ist nicht einfach zu bestimmen, von den im griechischen Raum zutage gekommenen
Tierfiguren unterscheidet sich der Hirsch aus dem Artemision deutlich"36. Die naturalistische, fein modellier-
te Darstellung spricht für eine Provenienz im anatolischen oder in einem weiter östlich gelegenen Gebiet.
Bronzene Hirschstatuetten des 9.-7. Jahrhunderts aus dem west- und nordwestiranischen Raum stehen der
Figur in der Art der Modellierung und der naturalistischen Darstellungsweise nahe1137 1138. Eine Verbindung mit
den sog. Luristanbronzen ist allerdings auszuschließen, da sich diese in ihrer charakteristischen abstrakten
Stilisierung von Kat. 879 grundlegend unterscheiden.
Aufgrund des Fehlens unmittelbarer Entsprechungen muss die Frage nach der genauen stilistischen Ein-
ordnung der Statuette Kat. 879 vorerst unbeantwortet bleiben. Die vorangegangenen Überlegungen lassen
ihre Herkunft aber in Anatolien oder im vorderorientalischen Raum vermuten.
XI.1.4 Gans (Kat. 1005, Taf. 120>
Die rundplastisch ausgeformte Vogelstatuette Kat. 1005 stellt wohl eine Gans oder eine verwandte Art dar. Der Vogel stand ur-
sprünglich vermutlich auf einer dünnen, in Resten erhaltenen Standplatte, an der die Füße mit Nieten befestigt sind. Der Vogel-
körper ist sehr vereinfacht wiedergegeben. Zwei parallele Rillen, die zur hinteren Spitze zusammenlaufen, bezeichnen die Flügel,
parallele Rillen das Gefieder. Der Kopf ist zu schlecht erhalten, um Details auszumachen.
Unmittelbare Vergleiche zur Vogelfigur Kat. 1005 sind bislang nicht bekannt. Die einfache Gestaltung macht
eine genaue zeitliche Einordnung schwer; eine Datierung in die Zeit des archaischen Marmordipteros scheint
wegen der Fundsituation am wahrscheinlichsten"38.

1132 Vgl. J. N. Coldstream. Geometrie Greece (1977) 149 f. Abb. 48a. b; 160 Abb. 53b: 175 f. Abb. 58b; Heilmeyer 1979; W.-D.
Heilmeyer, Figürliche Weihungen aus Ton und Bronze, in: A. Mallwitz - H.-V. Herrmann, Die Funde aus Olympia. Ergebnisse
hundertjähriger Ausgrabungstätigkeit (1980) 30 f.; ders., Frühgriechische Kunst (1982) 17 ff.; Voyatzis 1990, 127 ff.
1133 Kilian 1975a. 185; Zimmermann 1989, 242 ff. 260 ff.
1134 Vgl. die Herkunft der von Zimmermann 1989 gezeigten Beispiele.
" Vgl. z. B. ein angeblich aus 4 hessalien stammendes Pferdchen bei Hoffmann 1970, 121 Nr. 39, das in ähnlicher Weise dargestellt
ist und um 750-700 v. Chr. datiert wird. Ein in der Formgebung vergleichbares Pferdchen unbekannter Herkunft weist ebenfalls
Querstege an den Vorder- bzw. Hinterbeinen auf. Es wird mit einer makedonischen Werkstatt in Verbindung gebracht: Zimmer-
mann 1989, 262 Nr. 11 Taf. 62.
1136 Vgl. z. B. Hirschstatuetten aus Tegea: Voyatzis 1990, 140 ff. Taf. 74 ff. Aus Ptoion in Böotien: Heilmeyer 1979, 91 Abb. 4 r. Aus
Olympia: Heilmeyer 1979, 148 ff. 196 Taf. 68, 507. 507a; Taf. 85, 705; Taf. 87.
1137 Ghirshman 1964, Abb. 41 (aus Amlasch. 9.-8. Jh. v. Chr.); vgl. auch zwei bronzene Statuetten von Steinböcken des 8.-7. Jhs. aus
Luristan: ebenda Abb. 49. 70.
1138 Nach den Angaben des Grabungstagebuchs wurde die Vogelfigur in einer Schicht gefunden, die wahrscheinlich mit dem archai-
schen Marmordipteros zu verbinden ist.
 
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