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Steskal, Martin; La Torre, Martino; Forstenpointner, Gerhard
Das Vediusgymnasium in Ephesos: Archäologie und Baubefund (Band 14,1: Textband): Textband — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47148#0099
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Baubefund und Baubeschreibung

Bei der bauzeitlichen Latrine 1 handelt es sich um den einzigen, dem Besucher zugänglichen Raum der Substruktionen, für den die Nutzung eindeutig
zu bestimmen ist (Taf. 228)509. Der langrechteckige Raum besitzt einen umlaufenden Kanal, der im Südwesten seine Zuleitung hatte und im Nordosten
in einen überwölbten Kanal nach Osten entwässerte (Taf. 228; 231; 232, 1-3)510. Das Wasser für den Latrinenkanal kam aus dem Obergeschoss. Neben
dem vermutlich ständig zur Verfügung gestandenen Brauchwasser des Thermengeschosses wurde die Spülung durch das auf der Palästra gesammelte
Niederschlagswasser unterstützt. Der Boden des Raumes ist bis auf den Bereich im Osten völlig verloren. In den Raumecken im Nordwesten und Süd-
osten wurde 2004 gegraben. Dabei konnte im Westen der verputzte Latrinenkanal bestätigt (Taf. 231, 5) und im Osten das bauzeitliche Mosaik mit
Fischmotiven aufgedeckt werden (Taf. 231, 3—4)511. Die. Schwammrinne vor den Latrinenbänken fehlt auch in diesem Bereich. Von der Konstruktion
der Latrinenbank sind an den Wänden Reste einzelner z. T. stark zerstörter Konsolen erhalten (Taf. 228; 230, 4. 6; 231, 3. 5). Daher ist davon aus-
zugehen, dass umlaufend Latrinenbänke angeordnet waren, womit sich eine Kapazität von 54 Plätzen rekonstruieren lässt512. Für die Wasserversorgung
der Schwammrinne und des Malluvium oder Brunnens sind auf der vorgelagerten Cryptoporticus und in der Tür Installationsreste erhalten (Taf. 228;
232, 5; 233, 4; 234). Auf der Terrasse im Norden verläuft ein Stück Rohr in der Nordostecke vertikal und von dort weiter entlang der Fundament-
aufkantung nach Westen, um dann in der Mitte der Tür zu Raum A nach innen abzuknicken. An dieser Stelle zeigt sich der Abdruck eines älteren
Rohres im Mörtel, das durch dieses Rohr ersetzt wurde. Es besitzt entlang der Nordwand von Raum A in jedem zweiten Element ein Putzloch, flankiert
von kleinen, mit dichtem Kalkmörtel geschlossenen Bohrungen (Taf. 232, 5; 234, 1-3). Im Bereich des Durchgangs ist es im Scheitel zerstört und mit
Mörtel verfällt. Wie dieses Rohr im Innenraum weiter verlief, ist nicht mehr nachzuvollziehen.
Die aufgehenden Wände waren tlw. so stark zerstört, dass hier mit Mauerwerkschließungen notsichernd eingegriffen werden musste, um Teileinstürze
zu verhindern (Taf. 230, 1-2. 4-6; 231, 1-2)513. Dennoch sind an den Wänden, wenn auch nur vereinzelt, Klammerbefunde auszumachen. Durch das
Einrüsten für die Sicherung war es auch möglich, den Kämpferbereich näher zu betrachten. Da die Tonne und auch die erhaltene Schildwand im Osten
geputzt sind, haben sich dort Abdrücke von Marmorprofilen erhalten, die die Inkrustationen nach oben abschlossen. Die restlichen Befunde sind so
gering, dass sich zum Dekorationssystem keine weiteren Aussagen machen lassen.
Im Tonnengewölbe sind drei Fensteröffnungen nach Norden angeordnet (Taf. 228-230; 233, l)514. Ihre Laibungsflächen sind jedoch durch Witterung
und Bewuchs dermaßen stark zerstört, dass sich nicht mehr bestimmen lässt, ob oder wie sie geschlossen waren. Um einen ständigen Luftwechsel zu
gewährleisten, ist jedoch davon auszugehen, dass sie nicht verschlossen waren. Der Putz des Deckenbereichs ist zwar großflächig erhalten, aber die
Art der Deckenfassung konnte nicht mehr festgestellt werden.
Im Osten des Raumes wurde, vermutlich nach dem Verlust der Ostwand, kurz vor der Wand im Inneren eine ca. 55 cm starke Trockenmauer auf dem
Versturz errichtet, von der die unteren Lagen erhalten sind (Taf. 228; 231, 1-2). Die leicht schräg verlaufende, improvisierte Konstruktion dieser Wand
war nicht geeignet, die heute vorhandene, große Öffnung der Ostwand zu schließen. Es könnte sich hierbei um einen Pferch für Herdentiere gehandelt
haben, die in der Ruine untergestellt waren515.
Auch im Bereich östlich der raumbegrenzenden Wand im Osten wurde gegraben (s. o.), wobei südlich des Kanals ein einhüftiger Entlastungsbogen
gefunden wurde, der eine Öffnung in den Kanal überfängt. Dort führten mindestens zwei weitere, kleinere Kanäle in den großen nach Osten verlau-
fenden Hauptsammler (Taf. 228; 232, 1-3).
Als konstruktionstechnische Details sind Tonrohre im Gewölbescheitel zu beobachten, die seitlich der Rüstlöcher im Kämpfer angeordnet sind und
dazu dienten, nach dem Abbinden des Gewölbes das Lehrgerüst mit einer Winde von oben abzulassen (Taf. 228)516.
Auf der Kämpferlinie befinden sich auf jeder Seite vier Rüstlöcher. Auch in der erhaltenen Schildwand im Westen ist ein Rüstloch kurz unter der
Decke auszumachen (Taf. 228). Aufgrund der Rüstlöcher in den Schildwänden ist davon auszugehen, dass man hier nicht mit einer Halbkreislehre
gearbeitet hat. Mit einem Rüstbalken im First zum Auflegen des Lehrgerüsts konnte man mit Viertelkreislehren arbeiten, die einerseits leichter zu
handhaben waren und andererseits auch bedingt einen Radienspielraum boten, ohne eine Vielzahl von Lehrgerüsten vorhalten zu müssen.
Die Rüstlöcher in der Südwand sind höher angelegt (ca. 55 cm) als in der Nordwand (ca. 35 cm). In den höheren, größeren Löchern konnte man den
Balken zum Ausbau des Lehrgerüstes (Halbkreislehre) anheben und herausdrehen.
Diese Schalungstechnik wurde auch in den anderen Gewölben der Substruktionen angewandt. Dort zeigt sich, dass es sich keinesfalls nur um Halb-
kreise, sondern auch um deformierte, flachere Radien handelte, die hier eingesetzt wurden (Raum H). Auch wurden die Gewölbe bereits ohne Lehr-
bogen begonnen. So befinden sich die Oberkanten der Rüstlöcher (der Viertelkreislehren) 40-80 cm über den Kämpferlinien, also bereits in der
Wölbung; das Einschalen zeichnet sich an diesen Stellen in Form eines Knicks im Gewölbeverlauf ab (Taf. 242. 243).
Das zeigt, dass man mit dem Einsatz von Viertelkreislehren einen gewissen Spielraum bei der Ausführung der Wölbung hatte bzw. die Radien auf die
Raumgrößen anpassen konnte.

11.33 Raum B
Abmessungen: 2,70 x 5,85 m (Rohbau), -16,00 m2
Gewölbe: Kämpferhöhe -5,40 m, Scheitel -6,70 m
1 Tür nach Norden in die Cryptoporticus
Rohbau: lichte Weite 1,35 m, Durchgangstiefe 1,65 m, H 2,70 m
Fenster nach Norden: 0,10 m2 (offen gehaltenes Rüstloch in der Schildwand)

509 Zur Funktion des Raumes vgl. M. Steskal - M. La Torre in Kapitel VII.5. Auf-
grund ihrer Lage ist es denkbar, dass beide Latrinen auch außerhalb der Thermen-
öffnungszeiten betrieben wurden. Da es keine Anzeichen eines Umbaus in dieser
Latrine (Raum A) im Untergeschoss gibt, wurden beide Latrinen wahrscheinlich
parallel betrieben. Demnach erfolgte mit dem Einbau der neuen Latrine im Ober-
geschoss eine Kapazitätssteigerung um etwa 100 %.
510 Der Sammler, der die Latrine nach Osten entwässerte, ist schon auf dem Ephesos-
Plan bei Falkener 1862 und Benndorf 1906, 47 Abb. 12 kartiert.
511 Vgl. M. Steskal in Kapitel 111.12; V. Scheibelreiter in Kapitel V.2 und Scheibel-
reiter 2005, 55 ff.

512 La Torre 2006c, 89.
513 Vgl. M. La Torre in Kapitel X.
514 Die Latrine des flavischen Maceilums in Pozzuoli war ebenfalls tonnenüberwölbt
und besaß drei Fenster im Gewölbe: Neudecker 1994, 53. Auch die Latrine der
Stabianer Thermen war überwölbt, s. Eschebach 1979, 24 Taf. 4c. 26b. 67b.
515 Zu Beginn der Neuaufnahme der Forschungen haben allmorgendlich Schafe und
Ziegen die Räume der Substruktionen verlassen.
516 Vgl. Tepidarium XI.

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