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Lang-Auinger, Claudia; Forstenpointner, Gerhard; Lang, Gerhard; Outschar, Ulrike; Vetters, Wolfgang
Hanghaus 1 in Ephesos: der Baubefund (Band 8,3: [Hauptband]): Hanghaus 1 in Ephesos — Wien: Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1996

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https://doi.org/10.11588/diglit.48790#0183
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7. FENSTER

Bei den Fenstern sind grundsätzlich zwei Arten zu unterscheiden, und zwar solche, die sich nach außen öffneten und solche, die aus Höfen
das Licht bezogen. Die Außenfenster sind gegenüber den Hoffenstern klein dimensioniert. Die kleinen Außenfenster bilden wegen der
großen Mauerstärken tiefe Nischen. Die Innenfenster hingegen nehmen jeweils die gesamte Wandbreite als Fensterfläche ein, so daß die
Mauerstärke keinen Einfluß auf die Proportion hat. Alle Fensterarten befinden sich im oberen Drittel der Wandfläche. Der erste Typus, das
kleine Außenfenster, findet sich in SR 8, 9c, 9d und in XII/2b; in XII/2c und in I sind kleine Hoffenster.
Die Öffnungen in SR 9c (0,85 m breit) und 9d (0,60 m breit) haben sehr steile Fensterbänke, da sie sich im oberen Mauerdrittel befinden. In
der Spätantike wurden sie als Einfüllrutschen benützt. Das nördliche Fenster in XII/2b und jenes in XII/2c haben leicht nach innen geneigte
Fensterbänke, wobei in XII/2b ein die ganze Breite einnehmender, 8 cm dicker Stein Verwendung fand. Eiserne Fenstergitter, wie sie aus
Hanghaus 2 bekannt sind, wurden im Hanghaus 1 nicht gefunden490. Das einzige im Hanghaus 1 geborgene Fensterkreuz war unter dem
Impluvium des Atriums in der Packung des Bodens verbaut: Es besteht aus dem leicht zu bearbeitenden Tuff; seine Breite beträgt 45 cm, die
erhaltene Länge 50 cm, und die ausgesparten Gitteröffnungen messen 15x15 cm. Durch die Lagerung unter dem Boden des Impluviums
war der Stein stark versintert, so daß zuerst an ein Kanalgitter gedacht wurde, wogegen aber doch die großen Öffnungen sprechen. Tongitter
für hoch angebrachte kleine Fensteröffnungen zur Entlüftung sind im griechischen Bauwesen, von dem sie auch herstammen, nichts Unge-
wöhnliches491. Die kleinen Fensteröffnungen sind wohl nicht als Lichtquellen zu verstehen, sondern in erster Linie als Belüftung.
In der Ostwand von G verblieb nach Schließung des Durchganges in der Periode 4 ein kleines Innenfenster von 0,45 m Breite492.
Über den Türstürzen von J, K und L werden Lünetten nach jener Art angebracht gewesen sein, die über der Tür in das Obergeschoß der
Taberna III erhalten geblieben ist. Dieser gemauerte Türbogen stammt, nach der einheitlichen Struktur der Mauer zu schließen, bereits aus
der Periode 2. Nichts spricht dagegen, daß das Gewände aus Spolien gleichzeitig mit dem Bogen eingerichtet worden ist. In der Periode 3
reichte der Türbogen allerdings nur noch bis in die Beschüttung des Bodens vom darüberliegenden Geschoß, der auf dem neu eingezogenen
Ziegelgewölbe ruhte. Diese Fensterart war bei den oben genannten Räumen die einzige Möglichkeit der Belichtung. Vermutlich waren sogar
generell alle Außentüren so, weil das die einzige Möglichkeit der Lichtzufuhr war493.
Die großen Innenfenster, die in SR 1 und B begegnen (Abb. 9, 11 und 81a) dienten nicht nur der Belichtung der großen und hohen Räume.
Ihre Größe bot auch die Möglichkeit, Wandflächen ansprechend architektonisch zu gliedern. Sie öffneten sich über einer durch Türen struk-
turierten Zone, die bereits der Höhe eines Obergeschoßes entsprach. Ein Lichtgaden ist sowohl in SR 1 als auch B auszuschließen494. Zu den
frühen Beispielen solch kolossaler Fensteröffnungen zählen der Wohnpalast in der Domus Augustana auf dem Palatin in Rom495 und der
Dreiexedrenbau der Villa Hadriana in Tivoli496: Bei beiden Anlagen öffnet sich in weitaus monumentalerer Form das Fenster vom Mittelsaal
über der hohen Bogentür in den Alkoven. Ein ähnliches System der Belichtung repräsentieren das Atrium und der Trikliniensaal der Piazza
d’Oro497. Dort hat die von Säulen getragene Schildwand im obersten Drittel ein riesiges Fenster, das dem von SR 1 und B entspricht und so
die aus Marmorinkrustation geschaffene Scheinarchitektur an den Wänden ausreichend belichten konnte. Zu den späten Vertretern dieses
Fenstertyps gehört die Porta Asinaria bei der, die unter Honorius hinzugebauten halbrunden Türme mit entsprechenden Wandöffnungen nach
innen ausgestattet sind498. Derartig große Öffnungen sind naturgemäß nur in der großen monumentalen Repräsentationsarchitektur anzu-
treffen. Diese Möglichkeit der Monumentalisierung wurde hier wohl ganz gezielt genützt. Das System wurde bis in die Spätantike ange-
wendet, wie das Fenster über der Tür in den Peristylsüdgang von A aus, das erst in der Periode 5 eingebaut wurde, zeigt.

490 Vetters, Ephesos, Vorläufiger Grabungsbericht 1982, AnzWien, 120 (1983) 120f.
491 Rudolf Herbig, Fensterstudien an antiken Wohnbauten, RM 44 (1929) 287ff., 289
werden Beispiele in Stein aus Priene angeführt. Graham Webster, Roman Win-
dows and Grills, Antiquity 33 (1959) lOf.
492 Siehe G Kap. 5.5.13.
493 Vgl. dazu Herbig a. O. 262.
494 So wie über dem großen Apsidensaal 8 im Hanghaus 2 noch ein Obeigeschoß gebaut
war, könnte auch über SR 1 eines angenommen werden, weshalb ein Lichtgaden
nicht in Frage kam. Vgl. dazu Lang-Auinger, Opus sectile-Böden aus den Hang-
häusern I und II in Ephesos, a. O. 47 ff.

495 Gisella Wataghin Cantino, La Domus Augustana (1966) 18 ff.
496 Heinz Kähler, Hadrian und seine Villa bei Tivoli, (1950) 57 f. Harald Mielsch,
Die römische Villa (1987) Abb. 50. Herbig a. O., Casa dei Dipinti, 312, Abb. 63.
497 Wolfram Hoeppner, Die Piazza d’Oro der Villa Hadriana, in: Licht und Architek-
tur (1990) 111, Abb. 2.
498 1. A. Richmond, The City Wall of Imperial Rome (1930). Ernest Nash, A Pictural
Dictionary of Ancient Rome 2. Aufl. (1968) 204.

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