Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Editor]
Kolloquium zu Fragen der Theorie und Methodik der Industriellen Formgestaltung — 3.1979

DOI article:
Wittwer, Bernhard: Einige neurobiologische Aspekte der Ästhetik
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30595#0125
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Um eine Bestimmung der Ästhetik und der Kunst haben sich in der
Vergangenheit besonders Philosophen und später Psvchologan,Kunst-
wissenschaftler und Ästhetiker bemüht . Die psychisch-physische
und gesellschaftlich-historische Bedingtheit der Ästhetik erklärt
die Schwierigkeiten bei einer wissenschaftlichen Theorienbildung.
Es sind nur interdisziplinäre Ansätze der Theorienbildung denk-
bar. Die zur Genüge vorliegenden gesellschaftlich-historischen
Ansätze sind entvweder zu unbestimmt oder zu eng, die naturwissen-
schaftlichen Voraussetzungen waren noch nicht gegeben.

Ästhetik wird hier nicht von Ästhetik im Sinne einer Wissenschaft
des Schönen abgeleitet, sondern nach Baumgarten von
dem griechischen Wort aisthesis /17/ her begriffen und auf Wahr-
nehmungs- und Gefühlsprozesse bezogen. Ästhetisch ist hier nicht
wertend im Sinne der Kategorien der Kunst gemeint, sondern als
optimal auf die menschlichen Wahrnehmungsfähigkeiten abgestimmt.
“Schon lange und unbestreitbar hat man festgestellt“, schreibt
K a g a n , “daß eine charakteristische Besonderheit des ästhe-
tischen Verhältnisses dessen emotionale Natur ist." /18/ Diese
Gefühle sind Äußerungen der Beziehungen des Menschen zur Wirk-
lichkeit oder, wie Rubinstein schreibt: "Er (der
Mensch, B. W„) erlebt das, was in ihm vorgeht und von ihm voll-
zogen wirdj er nimmt in bestimmter Weise Stellung zu dem, was
ihn umgibt. Das Erleben dieser Beziehung des Menschen zur Umge-
bung bildet die Sphäre der Gefühle oder Emotionen." /19/

Weil Wahrnehmung und optimale Wahrnehmbarkeit, also Wahrnehmung
und Wirkung, an Bedingungen der Gliederung des Gegenstandes ge-
bunden ist, beschäftigt sich Ästhetik mit der Bestimmung der
Reizkomplexe zur Bewirkung einer aufmerksamen Hinwendung zum Ge-
genstand und zur Beeinflussung des allgemeinen Zumuteseins des
Menschen. Ober diese Anmutungen und das folgende Bemerken nimmt
der Mensch unter bestimmten Voraussetzungen des inneren und äuße-
ren Milieus des Organismus Beziehungen zur Umwelt auf, Um dieses
Ziel auch nur annähernd zu erreichen, müssen die Gefühls-, Moti-
vations-, Aktivierungs- und Gedächtnisprozesse beachtet werden,
weil eine Veranlassung am Gegenstand allein nicht ausreicht. Ge-
gen die Annahme, daß einem Gegenstand allein positive oder nega-
tive Anmutungen eigen sind, diese Anmutungen also objektive Ge-
gebenheiten sind, spricht die große Unterschiedlichkeit des An-

123
 
Annotationen