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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Editor]
Kolloquium zu Fragen der Theorie und Methodik der Industriellen Formgestaltung — 3.1979

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Letsch, Herbert: Subjektorientierte Ästhetik als philosophische Disziplin und einige Fragen des ästhetischen Gebrauchs
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https://doi.org/10.11588/diglit.30595#0159
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zu tun, daß ich mich zur Speise erst dann anschauend verhalten
kann, wenn ich satt bin, das ist ein anderes Problem. Das uns-
rige steht so: Ist denn der Verbrauch von Gegenständen des
materiellen Bedarfs nicht mit dem Erlebnis des Subjektivitäts-
gewinns verbunden, kann er es sein oder darf er es nicht sein!
Und wenn wir als Materialisten die Produktion von Dingen, die
auf die Befriedigung unmittelbar materieller Bedürfnisse ge-
richtet sind , ausdrücklich in das Vermögen der Subjektivität,
auch in ästhetischer Hinsicht , hineinnehmen, mit welcher Logik,
mit welchem Recht schließen wir dann ihre materielle Konsumtion
aus der ästhetischen Subjektivität aus? Und ist die gegenteilige
Auffassung nicht im kapitalistischen Tauschwertverhalten be-
gründet, das den materiellen Konsum zum Selbstzweck erhebt,
in dessen Rahmen kein Platz bleibt für eine Wertorientierung,
die die Beförderung der Subjektivität zum Inhalt hat?

Diese Fragen muß man heute stellen. Und es geht vor allem darum,
dem Tauschwertverhalten eine neue sozialistische Wertorientie-
rung für den Umgang mit den Gegenständen entgegenzusetzen ; eine
Wertorientierung, die es den Menschen ermöglicht, den materiel-
len Konsum, den praktisch-gegenständlichen Gebrauch und Ver-
brauch, der ja objektiv auf die Reproduktion der Vermögen der
Subjektivität zielt, auch subjektiv als Selbstwerterlebnis zu
realisieren. In einer solchen Wertorientierung ist wahrschein-
lich das Kriterium dessen, was wir als vernünftige Bedürfnisse,
als vernüftigen Verbrauch im Sozialismus bezeichnen können ,
beg ründet .

Obrigens ist auch der Gebrauch von Kunst gar nicht so kontem-
plativer Art , wie es manchem scheinen mag. Denn auch da wird
Subjektivität abgefordert, in Frage gestellt, dialektisch ne-
giert, gibt es keinen Subjektivitätsgewinn ohne dem. Der Unter-
schied ist nur der, daß im kunstgemäßen Umgang mit Kunst nicht
vergegenständlichte, sondern lebendige und zutiefst an die
geistige Individualität des konkreten Menschen, der Persön-
lichkeit gebundene Subjektivität dialektisch verneint wird.
Diese aktive Wirkkraft von Kunst auf die lebendige Subjektivi-
tät, die den Menschen zwingt , sich selbst in Frage zu stellen,
wird natürlich von all jenen, die sich - bewußt oder unbewußt -
gegen jede Innovation wehren, die ihr Verhältnis zum Leben und

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