Die Vorläufer der mittelalterlichen Fliesen.
Es ist hier nicht der Ort, den Wand- und Bodenbelag, die Strassenpflasterung und die Mosaikkunst
der Alten eingehend zu behandeln. Sie Alle bilden die antiken Vorläufer der mittelalterlichen Fliesen. In
mancher Beziehung sind die letzteren nichts anderes als die unmittelbare Fortsetzung der schon im Alter-
thum gewonnenen Errungenschaften. In andern Fällen wieder zeigen sich manche Erscheinungen des
Mittelalters und der Renaissance zwar bereits im Alterthum bekannt, aber es fehlen bisweilen noch Originale,
welche den Beweis lieferten, dass die betreffenden Techniken etc. in ununterbrochener Continuation vom
Alterthum durch die frühchristliche Zeit und das Mittelalter bis zur Renaissance in Uebung gewesen wären.
Das gilt beispielsweise im allgemeinen, soweit Europa in Betracht kommt, für die Sitte des Wand- und
Bodenbelags mit verzierten Fliesen, im speciellen für die continuirliche Verwendung der Bleiglasur und
noch mehr der Zinnglasur. Gerade derartige technische Errungenschaften, die das Alterthum gekannt und
in gewisser Vollendung geübt hat, scheinen im Frühmittelalter wieder verloren gegangen oder wenigstens
nur noch ganz vereinzelt bekannt gewesen zu sein. Auch nach dieser Richtung birgt die Geschichte der
Keramik noch zahlreiche Räthsel; aber gerade die alten Fliesenreste sind geeignet, hier lichtbringend
einzugreifen.
Die Fliesendecoration ist eine vom Orient zu uns gekommene Sitte. Bei uns regierten ehedem
Holzböden, Holzvertäfelung und Teppichbelag oder Verkleidung von Wänden und Böden mit Steinplatten,
bei erhöhtem Luxus mit Mosaikeinlagen. Anders der Orient, der schon zu einer Zeit, da bei uns Stein-
und Ziegelbauten noch zu den Seltenheiten gehörten, bereits zu Wandverkleidungen mit vielfarbig emaillirten
Ziegeln und Fliesen gegriffen hat. Schon die Aegypter übten diese Sitte. Sie belegten die Wände ihrer Backstein-
häuser mit kleinen verzierten Fliesen aus sogenanntem ägyptischem Porzellan ; es sind kleine, runde Plättchen
mit Rosettenzier, welche man in die Thonwand einfügte und welche bereits, ähnlich den unten zu
besprechenden Mittelalterfliesen Frankreichs, mehrfarbig incrustirt sind. Sie zeigen bereits die Anwendung der
Zinnglasur und die Verwendung von Modellirformen.
Noch weiter fortgeschritten sehen wir die Assyrer, die Babylonier und die Perser, deren gewaltige
Ziegelbauten prächtig emaillirte Ziegelverkleidungen trugen. Schon Herodot bewundert die siebenfarbigen
Mauern Ekbatanas. In den Schutthügeln Ninivehs fand man zahlreiche blau, roth, weiss und grün gefärbte
Thonziegel, welche die Anwendung von Blei- und Zinnglasur verrathen. Das Pariser Louvre besitzt von
Susa aus dem Thronsaale von Darius I. (485 v. Chr.) vollständige Wandverkleidungen in farbig emaillirten
Ziegelfliesen, mit mächtigen reliefirten Löwen und anderen figürlichen Darstellungen, die in ihrer Gesammtheit
selbst für verwöhnte moderne Augen im höchsten Grade imposant wirken. Die Ziegel sind auf den
Stirnseiten gelb, blau, grün, schwarz und weiss glasirt. Auch die Ruinen von Khorsabad und Babylon
haben dem Louvre-Museum ähnlich prächtige Ziegelfliesen geliefert. Sie sind anscheinend nicht einzeln,
sondern erst nach dem Aufbau an der Mauer selbst gebrannt worden. Nach den Untersuchungen von
D1' Percy und Sir Henri de la Beche ist das Weiss der babylonischen Ziegel Zinnemail, das Gelb ein
zinnhaltiges Blei-Antimoniat (also etwa Neapelgelb), Blau, Roth und Grün bestehen aus Kupferoxyd mit Blei,
welches leztere als Flussmittel diente'. Verwandte Glasuren zeigen mehrfarbig emaillirte Thonfiguren des
Wiener K. K. Hofmuseums, welche aus Tell-el-Jahudieh stammen und der XX. Dynastie angehören.
1 Vgl. Jännicke, Grundriss der Keramik. Stuttgart, 1S79, p. X.
1
Es ist hier nicht der Ort, den Wand- und Bodenbelag, die Strassenpflasterung und die Mosaikkunst
der Alten eingehend zu behandeln. Sie Alle bilden die antiken Vorläufer der mittelalterlichen Fliesen. In
mancher Beziehung sind die letzteren nichts anderes als die unmittelbare Fortsetzung der schon im Alter-
thum gewonnenen Errungenschaften. In andern Fällen wieder zeigen sich manche Erscheinungen des
Mittelalters und der Renaissance zwar bereits im Alterthum bekannt, aber es fehlen bisweilen noch Originale,
welche den Beweis lieferten, dass die betreffenden Techniken etc. in ununterbrochener Continuation vom
Alterthum durch die frühchristliche Zeit und das Mittelalter bis zur Renaissance in Uebung gewesen wären.
Das gilt beispielsweise im allgemeinen, soweit Europa in Betracht kommt, für die Sitte des Wand- und
Bodenbelags mit verzierten Fliesen, im speciellen für die continuirliche Verwendung der Bleiglasur und
noch mehr der Zinnglasur. Gerade derartige technische Errungenschaften, die das Alterthum gekannt und
in gewisser Vollendung geübt hat, scheinen im Frühmittelalter wieder verloren gegangen oder wenigstens
nur noch ganz vereinzelt bekannt gewesen zu sein. Auch nach dieser Richtung birgt die Geschichte der
Keramik noch zahlreiche Räthsel; aber gerade die alten Fliesenreste sind geeignet, hier lichtbringend
einzugreifen.
Die Fliesendecoration ist eine vom Orient zu uns gekommene Sitte. Bei uns regierten ehedem
Holzböden, Holzvertäfelung und Teppichbelag oder Verkleidung von Wänden und Böden mit Steinplatten,
bei erhöhtem Luxus mit Mosaikeinlagen. Anders der Orient, der schon zu einer Zeit, da bei uns Stein-
und Ziegelbauten noch zu den Seltenheiten gehörten, bereits zu Wandverkleidungen mit vielfarbig emaillirten
Ziegeln und Fliesen gegriffen hat. Schon die Aegypter übten diese Sitte. Sie belegten die Wände ihrer Backstein-
häuser mit kleinen verzierten Fliesen aus sogenanntem ägyptischem Porzellan ; es sind kleine, runde Plättchen
mit Rosettenzier, welche man in die Thonwand einfügte und welche bereits, ähnlich den unten zu
besprechenden Mittelalterfliesen Frankreichs, mehrfarbig incrustirt sind. Sie zeigen bereits die Anwendung der
Zinnglasur und die Verwendung von Modellirformen.
Noch weiter fortgeschritten sehen wir die Assyrer, die Babylonier und die Perser, deren gewaltige
Ziegelbauten prächtig emaillirte Ziegelverkleidungen trugen. Schon Herodot bewundert die siebenfarbigen
Mauern Ekbatanas. In den Schutthügeln Ninivehs fand man zahlreiche blau, roth, weiss und grün gefärbte
Thonziegel, welche die Anwendung von Blei- und Zinnglasur verrathen. Das Pariser Louvre besitzt von
Susa aus dem Thronsaale von Darius I. (485 v. Chr.) vollständige Wandverkleidungen in farbig emaillirten
Ziegelfliesen, mit mächtigen reliefirten Löwen und anderen figürlichen Darstellungen, die in ihrer Gesammtheit
selbst für verwöhnte moderne Augen im höchsten Grade imposant wirken. Die Ziegel sind auf den
Stirnseiten gelb, blau, grün, schwarz und weiss glasirt. Auch die Ruinen von Khorsabad und Babylon
haben dem Louvre-Museum ähnlich prächtige Ziegelfliesen geliefert. Sie sind anscheinend nicht einzeln,
sondern erst nach dem Aufbau an der Mauer selbst gebrannt worden. Nach den Untersuchungen von
D1' Percy und Sir Henri de la Beche ist das Weiss der babylonischen Ziegel Zinnemail, das Gelb ein
zinnhaltiges Blei-Antimoniat (also etwa Neapelgelb), Blau, Roth und Grün bestehen aus Kupferoxyd mit Blei,
welches leztere als Flussmittel diente'. Verwandte Glasuren zeigen mehrfarbig emaillirte Thonfiguren des
Wiener K. K. Hofmuseums, welche aus Tell-el-Jahudieh stammen und der XX. Dynastie angehören.
1 Vgl. Jännicke, Grundriss der Keramik. Stuttgart, 1S79, p. X.
1