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Frankfurter Bücherfreund: Mitteilungen aus dem Antiquariate Joseph Baer & Co. — 10.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.69414#0057

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derselben. Auf der Rectoseite sind der Sündenfall und die Ermordung Abels
dargestellt. Die Zeichnung auf der Versoseite behandelt einen Gegenstand,
der sonst in der Ikonographie des Mittelalters und der Renaissance, soweit
es uns bekannt ist, nicht vorkommt. Sie illustriert das Kapitel, welches
„Music a &Aeraria artis inventores. DuaeColumnae
M undanae c onsummationis indices, Caput IV“ über-
schrieben ist. Die Stelle des Textes, die darauf Bezug nimmt, lautet in
deutscher Übersetzung folgendermaßen: Dieser {Adam) lebte 900 Jahre und
länger und, äusser den erwähnten, sind viele andere Söhne aus ihm entsprossen.
Unter diesen war der Seth der rechtschaffenste, zumal er die aus den Händen
seiner Eltern empfangene Zucht seinen Nachkommen unverfälscht hinterliess
und sie noch förderte, sodass diese noch lange in der alten Frömmigkeit ver-
harrten. Die Ueberlieferung meldet, dass seine Abkömmlinge zuerst von allen
Sterblichen die Natur der Himmelsgebilde erforscht und dass sie zwei Säulen
aus verschiedenen Stoffen errichtet haben, eine aus Ziegel, die andere aus Stein.
Auf diesen schrieben sie die ganze geheime Lehre von der Vollkommenheit der
Welt ein. Es ist zweifelhaft, ob dies mit Buchstaben oder mit Bildern von Tieren
und anderen Dingen geschehen ist, wie das später Aegypten nachgeahmt hat.
Feststeht nur, dass sie, obwohl die Zerstörungskraft des Feuers und die der Feuchtig-
keit alles bedrohen, diese Geheimlehre der Nachwelt bewahren wollten. Deshalb
verwandten sie zweierlei Material. Wenn also die eine Säule der Feuerskraft
oder die andere Säule der Wasserkraft Widerstand leisten würde, bestand unter
allen Umständen noch die Möglichkeit die ganze Sache der Nachwelt zu über-
liefern1). Die Zeichnung gibt den Augenblick wieder, da die Nachkommen
Seths ihr vollendetes Werk, die beiden Säulen, betrachten. Die Zeichnungen
sind mit brauner Tusche mit der Feder flott hingeworfen, einzelne Teile
sind mit roter Tinte überfahren. Der Druckort des Buches und auch die
Provenienz dieses Exemplares legten es uns schon nahe in dem Künstler
einen Basler Maler zu vermuten. Nachdem uns jedoch Hes2) eine eingehende
Darstellung über das Werk des Ambrosius Holbein gegeben hat und uns
besonders auch die Beteiligung dieses Künstlers an den Randzeichnungen
der Moria in der Basler Öffentlichen Kunstsammlung klargelegt hat3),
glauben wir sicher, dass wir in Ambrosius Holbein auch den Meister unserer
Randzeichnungen erkennen dürfen. Der Adam auf der Rectoseite ist dem
Apoll, der die Niobiden erlegt, Zeichnung der Moria, No. 53, S. 118 (Kan4),
S. 136) verwandt. Der Baum der Erkenntnis ist in derselben Weise, wie
der Baum der Daphne, in der Titelbordüre, Woltmann5 6), Hes2) 14, Abbildung
Tafel XI gezeichnet. Die Eva vergleiche man mit der nackten Figur auf
der Staffelei des Malers, Moria No. 32, S. 78 (Kan S. 90) und mit der Frau
auf der Darstellung Bettelmönch und Weib, Moria No. 50 S. 111 (Kan S. 129) !
Der in der Verkürzung sehr geschickt gezeichnete Abel hat grosse Ähnlichkeit
mit der liegenden Figur des getöteten Pyramus in der Tafel XXI (unten)
von Hes veröffentlichten Handzeichnung des A. Holbein. Für die beiden
Söhne Seths auf der Darstellung der Versoseite ziehe man den Ritter des
Bildes „Der Esel vor der Harfe“, Moria No. 55 S. 121 (Kan S. 139), und

*) Diese Erzählung findet sich zuerst in Josephus, Antiquitates Jud. cap. II.
2) Hes, Ambrosius Holbein. Strassburg 1911 (Studien zur deutschen
Kunstgeschichte H. 145).
3) Ebendort S. 83 ff.
4) Erasmus, MQPIA2 F.FKSIMION, recognov. et adnot. J. B. K an. Insertae
sunt figurae Holbeinianae. Hagae Com. 1898.
6) Woltmann, Holbein und seine Zeit. 2. Aufl. Leipz. 1876. Bd. II S. 205 ff.
 
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