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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Editor]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 10.1914

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Münzel, Gustav: Der Mutter Anna-Altar im Freiburger Münster und sein Meister
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https://doi.org/10.11588/diglit.2546#0073
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Münzel, Der Mutter Anna-Altar im Fre-iburger Münster und sein Meister

für die Arbeitsweise des Meisters in seiner späteren
Zeit. Die Exzentrizität der Kleidung, wie sie außer
der Raffung und Plissierung des Mantels bei Johannes
dem Evangelisten sonst noch hervortritt und die
eigentümliche Charakterisierung der Köpfe gehen aber
noch über den Stil des Rotweiler Werkes hinaus,
so dass diese Figuren wohl zwischen dem Rotweiler
und Breisacher Altar anzusetzen sind.

Auf Grund der Stilkritik ist es möglich, diesen
Werken des Meisters noch einige bisher unbekannte
Arbeiten anzureihen. Hier kommen zuerst in Betracht
zwei Figuren, die sich heute im Chor der neuen
Pfarrkirche in Oberreute bei Denzlingen befinden.
(Abbild. 10.) Es sind dies die Skulpturen der Heiligen
Felix und Regula. Sie wurden von dem Ortspfarrer,
Herrn Braig, auf dem Speicher der St. Galluskapelle

legenheit der Erbauung der neuen Pfarrkirche kamen
sie dorthin, nachdem sie zu diesem Zweck neu ge-
fasst und an den Haarpartien der im übrigen intakt
erhaltenen Figuren einige Ergänzungen vorgenommen
worden waren. Die Figuren sind Wandplastiken,
ungefähr zwei Drittel lebensgroß, aus Lindenholz
geschnitzt. Sie zeigen sowohl eine charakteristische
Übereinstimmung in der Gewand- und Haarbehand-
lung wie in Geste und physiognomischer Bildung
mit den Figuren des Anna-Altars. Der hl. Felix
teilt mit Joseph und Joachim die Überfülle des Stoffs
in der Gewandung, die der Meister in fast gleich-
artigen großen Schlingen und Stoffzipfeln künstlerisch
zu verwerten sucht. Hierfür ist charakteristisch das
schlingenartige Überhängen des Mantels bei Joachim
und Joseph und bei diesem auch noch die sich daran

Abbild. 8. Predella des Niederrotweiler Altars.

in Oberreute im Jahre 1901 aufgefunden1. Bei Ge-

' Diese Kapelle gehörte zu dem Schloss in Oberreute,
das 1756 niederbrannte und vollständig abgetragen wurde und
wovon die Kapelle der einzige Überrest ist. Kraus, Kunst-
denkmäler Badens VI, 1 S. 204. Die Kirchen in Ober- und
Niederreute haben beide zu Patronen Felix und Regula. Dass
die Figuren für Reute gemacht sind, dafür spricht der Um-
stand, dass neben einem einzigen Ort, Nollingen bei Säckingen,
die beiden Kirchen in Reute die einzigen Kirchen in der Erz-
diözese Freiburg sind, die diese Patrone haben. Vgl. Das
Erzbistum Freiburg (1910) S. 861 und 91*. — Diese beiden
Figuren werden in den Kunstdenkmälern Badens namentlich
nicht aufgeführt. In einem Nachtrag zu Reute (S. 526) wird dort
noch gesagt: „In der Kirche noch drei Holzfiguren aus dem
sechzehnten Jahrhundert; eine Madonna und zwei Heilige."
Da nun weder in Unterreute, worauf sich die Notiz beziehen
müsste, noch in Oberreute eine Madonnenfigur aus dem sech-
zehnten Jahrhundert sich befindet, so ist es möglich, dass sich
unter dieser mehr als lakonischen Bemerkung eine wirklich
vorhandene Barbara und die obigen beiden Heiligen Felix und
Regula, die überhaupt die einzigen plastischen Kunstwerke in
den beiden Reute sind, verbergen, wenn nicht ein Irrtum in
der Ortsbezeichnung vorliegt. — Dass es ermöglicht wurde, die
photographischen Aufnahmen der beiden Figuren für die Re-
produktion in dieser Arbeit im Januar 1914 in Reute vorzunehmen,
dafür möchte ich auch hier Herrn Pfarrer Braig meinen Dank
aussprechen.

anschließende zipfelartige Gewandendigung, die sich
unter seinem Stock befindet, Stoffanordnungen, die
sich in ganz analoger Weise bei dem hl. Felix in
der Raffung des Mantels wiederholen. Die hl. Re-
gula hat ebenfalls diese Zipfelendigung des Mantels
und für die Schlingenbildung tritt an Stelle des
Mantels ihr Schleiertuch in Funktion, das ganz ähn-
lich in seinem Verlauf angeordnet ist wie bei Maria
im Anna-Altar. Ganz besonders auffallend ist weiter
die Ähnlichkeit der Gesichtsbildung zwischen Maria
und der hl. Regula. Beide Gesichter haben den
kleinen, etwas geziert lächelnden Mund mit den
Grübchen in den Winkeln, die vollen runden Wangen
und die hohe in ihrer Ungegliedertheit leer wirkende
Stirn. Charakteristisch sind auch das Herüberfluten
der Haarwellen vorne über die Brust und deren
große schraubenartige Windungen. Es sei übrigens
nebenbei bemerkt, dass es fraglich ist, ob der von
der rechten Schulter herabhängende Haarstrang der
Regula ganz original ist. Sehr große Ähnlichkeit
zeigen Joseph und Felix in der Stellung ihres Kör-
pers und beinahe übereinstimmend sind ihre Barte
 
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