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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 13.1917

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Kempf, Friedrich: Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr: II. Durch Menschenhand
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https://doi.org/10.11588/diglit.2399#0035
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Kempf, Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr 31

Abbild. 18. Alte Kreuzblume und solche aus der Mitte des
19. Jahrhunderts vom Chorbau.

Strebepfeiler, welche die Widerlager der Ge-
wölbe des Hochchors, des Chorumgangs und
der Kapellen bilden, ohne die belastenden Auf-
bauten hinterlassen. Die 6,25 m über der Platt-
form sich erhebenden Pfeilermassive finden
über dem Absatz der Strebebögen lediglich
durch Abdeckplatten mit vorspringendem Ge-
simse, deren Stoßfugen mit Blei vergossen
sind, ihren Abschluß. In konstruktiver Hin-
sicht ist eine Belastung der Strebepfeiler, wie
es die Wirklichkeit erweist, kein unbedingtes
Erfordernis, weil ihre Stabilitätsverhältnisse so
beschaffen sind, dass sie dem Gewölbeschub
ohne weiteres Stand zu halten vermögen. Auch
ist der Seitenschub des Hochchorgewölbes, das
sich als eine Tonne mit eingespanntem Rippen-
netz, ohne durchgehende Quer- und Diagonal-
rippen, darstellt, ein mäßiger, da sich derselbe
auf die ganze Länge der Umfassungswand ver-
teilt. Einer Steigerung der Widerstandskraft der
platz durch diese „kolossalen Denkmäler" noch mehr Chorstrebepfeiler durch belastende Aufbauten bedarf
verkümmert werde. Ohnehin würden die drei Säulen es somit in vorliegendem Falle nicht, sodaß die Auf-
nicht zum Bau des Münsters passen und den Total- lösung der Pfeiler in Fialenaufbauten lediglich Sache
eindruck des schönen Portals stören. Auch bildeten ästhetischer Natur ist. In künstlerischer Hinsicht
dieselben keinen Bestandteil des Münsterbaues, viel- sind diese, zweifellos in der besten Absicht entstan-
mehr würden sie isoliert auf der Allmende stehen, denen Aufsätze als mißlungene Versuche einer Zeit
weshalb man keinen Grund einsehe, warum diese zu betrachten und zu würdigen, welche für die Gotik
Denkmäler gerade hier und nicht an einem andern noch nicht das richtige Verständnis wiedergewonnen
Orte, z. B. auf dem ehemaligen Soldatengottesacker hatte. Man sieht es diesen Ausführungen auf den
stehen könnten. Dieser Vorschlag ist vom Gemeinde-
rat vernünftigerweise ad acta gelegt worden. Heute
werden die drei Säulen vor dem Westturme, wie die
südliche Vorhalle in Ehren gehalten, weil es sich
um anziehende schöne Architekturdenkmäler handelt,
die dem Münster und dem Münsterplatz zur Zierde
gereichen.

Ziemlich aufwändige Steinmetzarbeiten kamen
1844, 1847, 1849, 1851, 1853 und 1855 am Chor
zur Ausführung, in welchen Jahren sechs Strebe-
pfeileraufsätze entstanden sind. Dieselben genügen
den heutigen Ansprüchen der Denkmalpflege nicht
entfernt. Das Ziel, das man sich mit dieser Bauauf-
gabe steckte, war ein zu hohes. Zu ihrer Lösung
lag indes keine dringende Notwendigkeit vor, so
wenig wie es heute der Fall ist. Allein der un-
widerstehliche Drang, neues zu schaffen, mußte be-
friedigt werden, und dazu bot sich am Chorbau, wo
die meisten Strebepfeiler sowie das Treppentürmchen
an der Nordseite ohne Aufbauten geblieben waren,
die erwünschte Gelegenheit. Nur zwei Pfeiler waren
zuvor mit Aufsätzen versehen: der erste an der Süd-
seite seit 1757 und der letzte an der Nordseite seit
18131. Die Erbauer des Chors haben uns die
1 Vgl. Abbild. 3 in den Münsterblättern 7, 36.

Abbild. 19. Baldachin mit Fialenteil aus der Mitte
des 19. Jahrhunderts.
 
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