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Brustgürtel, Brustbein, Oberarmknochen.

Brustgürtel, Brustbein und Oberarmknochen der Vögel stellen, wie bereits seit Jahren erkannt
und nachgewiesen worden, im Wesentlichen eine einseitige, aber in ihrer Einseitigkeit höchst
vollkommene Differenzirung aus reptilienähnlichen Bildungen dar. Die vergleichende Anatomie
hat gezeigt, dass sich durch den Vergleich mit den entsprechenden Skelettheilen der Chelonier,
Saurier, Dinosaurier und Crocodile mehr oder minder nahe Verwandtschaften zwischen diesen und
den Vögeln erkennen lassen, und hat damit gelehrt, wo im Allgemeinen die Anknüpfungs- und
Ausgangspunkte für die Vogelbildungen zu suchen sind.

Darf somit behauptet werden, dass in den wesentlichsten I nirissen diese Frage entschieden ist,
so kann man andererseits nicht verkennen, dass hinsichtlich des Details der speciellen Abstam-
mungen Vieles erst noch beantwortet werden muss. Von der Zunahme der namentlich auf
ontogenetischem und palaeontologischem Gebiete wurzelnden Kenntnisse und von einer auch in
die Details sich vertiefenden vergleichend-anatomischen Arbeit ist eine allmähliche Lösung der
noch unbeantworteten Fragen zu hoffen.

Soweit bis jetzt die Materialien vorliegen, lässt sich erkennen, dass die uns hier interessirenden
Skeletgebilde einen Typus repräsentiren, der nicht einseitig aus einer der oben angeführten vier
Reptil ien-Ordnungen ableitbar ist, sondern bald nach dieser bald nach jener Seite hin mit ihnen
Anknüpfungen darbietet — einen Typus also, der sich in seinem Ausgangspunkte als ein jeder
dieser Ordnungen nahe verwandter und gleichwerthig gegenüber stehender documentirt '). Von
da aus hat die Anpassung an die veränderten Lebensbedingungen Platz gegriffen und, vermöge
der allmählich gewonnenen höheren vitalen Energie, in schneller Entwickelungsfolge zu der Diffe-
renzirungshöhe geführt, welche den Vögeln als eine in ihrer Art einzige zukommt und bei sehr
flüchtiger Betrachtung allerdings als eine ohne Vermittelung und Anknüpfung dastehende er-
scheinen kann. Geht man z. B. von derjenigen Reptilien-Ordnung aus, welche hinsichtlich ihrer
Brustgürtel- und Brustb einbi 1 dungen die reichste, d. h. über die zahlreichsten Skelet-
elemente verfügende Ausbildung zeigt, derjenigen also, welche die meisten Anknüpfungspunkte
an die übrigen Ordnungen der Sauropsiden darbietet und daher besonders geeignet ist, als Aus-
gangsform zu dienen, d. h. von den Sauriern 2), so documentiren sich die betreffenden Skelet-

x) Es ist somit nicht an eine Ableitung aus Formen zu denken, welche bereits denen der jetzt lebenden Repti-
lien gleichen, sondern aus primitiven vor-jurassischen Sauropsiden (Protosauropsiden), welche sowohl den Reptilien.
;ds den Vögeln zum Ausgangspunkte dienten, wobei natürlich nicht von den Hand zu weisen ist, dass die jetzt
lebenden Vertreter der Reptilien und die Dinosaurier diesem primitiven Typus näher stehen, als die mehr umge-
bildeten und höher entwickelten Vögel. Näheres über diese Verhältnisse siehe im 2. Theil.

J) Damit ist noch nicht behauptet, dass — hinsichtlich der bezüglichen Bildungen — die Saurier auch wirklich
der ursprünglichen Sauropsiden-Form am nächsten stehen. In mehrfacher Hinsicht nehmen z. B. die Chelonier eine'
Primitivere Stelle ein, und die spätere Darstellung wird lehren, das die Vögel auch einige Einrichtungen besitzen,
die sich nicht aus denen der Protosaurier, wohl aber aus denen der Protoohelonier ableiten lassen.

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