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Furtwaengler, Adolf ; Reichhold, Karl
Griechische Vasenmalerei: Auswahl hervorragender Vasenbilder (Serie I, Text) — München, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.826#0303
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282 Schale in Hamburg

Auf der anderen Seite führt ein Epliebe in überaus bescheidener Haltung
sein gezäumtes Ross am Leitriemen einem anderen Epheben vor, der den Rang
eines Gefreiten oder Unteroffiziers zu haben scheint und sehr strenge Miene macht.
Ganz köstlich aber ist, wie selbst das Ross beschämt über die Zurechtweisung
seinen Kopf senkt. Ein Stallaufseher steht hinter dem Ross, nicht wie die zum
Auszug bereiten Epheben in Chlamys, sondern im Mantel mit dem Krückstock; er
bleibt zu Hause. Der Stall ist wieder durch eine Säule angedeutet mit interessantem
Kapital. Links an der Wand der Ring, der hier ganz rund gebildet ist.

Es handelt sich auch hier wie bei der anderen Schale um einen Auszug.
Das Korps der Epheben in Athen, das sich aus den 18—20jährigen jungen
Leuten der oberen Klassen rekrutierte, diente bekanntlich als eine Art Land-
gendarmerie; als jrepi'jroXoi zogen die Epheben im Lande herum und hatten Dienst
in den Grenzfestungen zu tun.1) Die zwei Epheben der einen Seite (5) sind
rechtzeitig bereit und treten mit ihren Rossen, die beiden Wurfspeere in den
Händen an. Der Ephebe der anderen Seite (6) scheint aber zu spät zu kommen
oder irgend sonst sich vergangen zu haben; ganz geknickt und furchtsam präsen-
tiert er sich mit seinem nicht minder demütigen Rosslein und nimmt die Rüge
hin, die ihm erteilt wird.

An dem Kostüme der jungen Leute ist das Band zu bemerken, das einige
um das eine Handgelenk oder auch um den Fussknochel tragen. Dasselbe ist
auch an den Epheben der anderen Schale (1, 2, 3) zu sehen. Ob es ein blosser
Schmuck ist oder sonst eine Bedeutung hat, weiss ich nicht zu sagen. Ferner
ist zu beachten, dass die Epheben auf beiden Schalen das Haar meist lang tragen,
sei es dass es lose herabfällt, sei es dass es hinten in einen Bausch herauf-
genommen ist.

Das Innenbild mit den zwei Knaben im Gespräche, deren einer sich im
Leierspiele übt, bildet in seiner schlicht lebendigen Anmut einen freundlich heiteren
Abschluss dieser ganz dem Leben der Jugend gewidmeten reizenden Schale.

Der Grund, weshalb wir die Hamburger Schale mit der Behandlung der
grossen Schalen, Tafel 6 und Tafel 55, vereinigt haben, liegt, wie schon zu
Anfang angedeutet ward, darin, dass diese Arbeiten ganz offenbar von dem
gleichen Meister herrühren.

Das genauere Studium der Aussenbilder der Schale Tafel 6 hat mich gelehrt,
dass die oben S. 32 geäusserte Vermutung, es sei der Meister derselben vielleicht
nicht im engeren Kreise der Vasenmaler zu suchen, nicht haltbar ist. Der Meister
war ein sehr tätiger Vasenmaler, dessen Hand und dessen Entwicklung wir noch
auf einer Reihe von Gefässen nachweisen können und dessen Einfluss in der Zeit vom
Ende des strengen Stiles bis zum Anfang des freien an vielen Vasen fühlbar ist.

Allein es strebte dieser Meister allerdings von Anfang an über die engen
Grenzen der damaligen Vasenmalerei hinaus. Er okkupiert das ganze Innere
grosser Schalen für Bilder grossartiger Komposition und er versucht, zuerst auf
weissem Grunde, dann auch auf dem gewöhnlichen Thongrunde durch Aufsetzen
anderer Farben und durch Vergoldung einzelner Teile stärkere, der grossen Malerei
näher kommende Wirkungen zu erzielen.

In den Aussenbüdern der grossen Schalen, die er rasch und leicht hinzu-

') Vgl. Rtul Girard, l'iducatiqn athenienne au V" et au IV* siede, p. 279 IT.
 
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