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Die Gartenkunst — 33.1920

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Heicke, C.: Der Siedlergarten eine Kulturangelegenheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.20812#0110

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R. Stegmiller, Frankfurt a. M.: Kleiner Garten,
umrahmt von Obstspalieren.

man sich wenigstens auf Stämmchen von mitt-
lerer und vor allen Dingen gleicher Höhe. Es
stört nichts den guten Eindruck mehr, als Nicht-
beachtung derartiger Winke. Auch die Rosen
gehören auf die Rabatte, wo sie zwischen den
Stauden ihren Platz haben.

Wichtig ist für den guten Eindruck, daß die
Blumenrabatte nach dem Wege hin einen wir-
kungsvollen Abschluß bekommt. Niedrige polster-
bildende Stauden, Gänsekresse, Primeln u.dgl.
eignen sich wohl dazu. Am besten aber ist die
scharfe Trennungslinie einer gut gehaltenen
Buchsbaumkante.

Der Eindruck beruht nicht nur auf der Ge-
pflegtheit der Einfassung, sondern auch auf der
räumlichen Wirkung, die solche Linien in
das Gartenbild bringen, indem sie Vorder- und
Hintergrund zueinander in Beziehung setzen, was
gerade im kleinen Garten von besonderer Be-
deutung ist.

Baut Gärten aus Zwergobstbäumen!

Größte Aufmerksamkeit kommt endlich dem
Obstbaum im Siedlergarten zu. Die Siedlungen
müssen dazu beitragen, uns in der Deckung des
Obstbedarfes vom Ausland unabhängig zu ma-
chen, aber auch vom Wucherer im Inlande.

Unsere Einfuhr an Obst und Obsterzeug-
nissen betrug 1912 70 Millionen Mark, 1913

95 Millionen Mark, stieg also in einem Jahre
um 20 °/o. Die Zahl der vorhandenen Obst-
bäume belief sich 1903 auf 170 Millionen Stück,
1913 auf 190 Millionen Stück, steigerte sich in
10 Jahren um 12°/o oder in einem Jahre um
1,2 °/o. Welche Betätigungsmöglichkeiten er-
geben sich daraus!

Der kl e in e S ie dl e r g ar t e n verträgt
keine großen Bäume. In der Regel würde
er gerade für einen Baum ausreichen, und dann
nichts weiter darin wachsen. Hier ist der Zwerg-
obstbaum am Platze. Seine verschiedenen
Formen, die sich durch frühe Tragbarkeit aus-
zeichnen, lassen sich jedem, auch dem kleinsten
Räume anpassen und dauernd in den für die je-
weiligen Verhältnisse geeigneten Abmessungen
erhalten.

Sie sind für die räumliche Gestaltung und
Gliederung kleiner Gärten von größtem Werte
und bieten dem Siedler, der sich mit ihrer Pflege
und Behandlung vertraut machen muß, eine
äußerst anregende Beschäftigung. Die Zwerg-
obstkultur, die infolge Versagens der Berufs-
gärtner fast vollkommen aus dem Gartenbau
verschwunden ist, kann in den Siedlungen
wieder auferstehen. Man wird einwenden:
Wie soll der Siedler imstande sein, Formobst-
zucht zu treiben, wenn die Gärtner von Beruf
darin versagt haben?

Zunächst wird man die gekünstelten Formen
früherer Zeit, die ihre Vorbilder in den französi-
schen und belgischen Gärten hatten, nicht wieder
einführen wollen. Nur die einfachsten Formen
kommen in Betracht.

Auch um diese zu pflegen, muß man selbst-
verständlich die erforderlichen Handgriffe kennen.
Sie sich anzueignen, ist nicht schwer. Die Haupt-
sache, ihre richtige Anwendung, hängt davon ab,
daß man durch fortgesetzte Beobachtung seiner
Bäume deren jeweiligen Eigenschaften kennen-
lernt und danach alle Eingriffe und Maßnahmen
einrichtet.

Gerade dieses Vertrautsein mit der
Eigenart der einzelnen B äume, die sich
je nach Standort, Sorte und Form ganz verschie-
denartig äußert, ist der heutigen Gärtnergene-
ration, außer vielleicht einigen ergrauten Baum-
schul- und bodenständigen Herrschaftsgärtnern
vollständig abhanden gekommen. Der mit und
zwischen wenigen Bäumen lebende kleine Garten-
besitzer kann sie sich unschwer aneignen, wenn
er nur ein offenes Auge für Vorgänge in der
Natur hat.

Meine gärtnerische Praxis hat unter einem
Altmeister der Formobstzucht angefangen, jahre-
lang bin ich darin tätig gewesen. Ich kann mir
also ein Urteil erlauben. Außerdem bestärken
mich praktische Beispiele in dieser Auffassung;
sie lehren mich auch, daß das Herz des Klein-
gärtners durch die unter seiner Wartung erwach-

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