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Geffcken, Johannes
Der Bildercatechismus des funfzehnten Jahrhunderts und die catechetischen Hauptstücke in dieser Zeit bis auf Luther (Band 1): Die zehn Gebote, mit 12 Bildtafeln nach Cod. Heidelb. 438 — Leipzig, 1855

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https://doi.org/10.11588/diglit.1411#0032
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und es befindet sich jetzt in der Bibliothek zu Hadern. *) Ebenso finden sich die Todsünden in einem xylo-
graphischen Beichtspiegel, den Dr. KIoss besass (Catalog 289) und den Sotzmann genau untersucht hat. Luther
selbst hat nach den Predigten über die zehn Gebote auch eine Predigt über die sieben Todsünden gehalten,**)
doch folgte er hier mehr einem alten Gebrauche, als dass er an diesem Unterschiede ein Wohlgefallen hätte
haben können. In der That, wenn man vor Luther die einen Sünden lässliche oder tägliche (venialia), die
andern Todsünden (mortalia) nannte, so machte es den scholastisch gebildeten Gelehrten nicht weniger Mühe,
als den einfachen Beichtvätern beides auseinander zu halten.***) Luther, nach seiner energischen, auf den
einigen Grund des Herzens gehenden Weise, konnten solche subtile Unterschiede nur missfallen. Im Eingange
jener Predigt sagt er daher: "■Man macht gar viel unterscheyd zwischen den sünden und ich weysz nit, ob
es nütz sey zu der bycht oder nit, dann die bychtkinder beschweren ire gedechlnusz damit, darzu bringt
es dem bichtvalter ein verdrusz." Nachdem Luther noch von mehreren andern Unterschieden gesprochen, sagt
er: "Man schafft doch nüt darmil, weder das man zyt verlürt und den bichluatter bekümmert. Darzu
hat man etwan mer sorg solich vil underscheid zu behalten, weder ein rüwe über die sünd zu uber-
kommen." Weder in dem ßetbüchlein, noch im Catechismus hat Luther den Todsünden eine Stelle eingeräumt.
Neben den sieben Haiiptsünden, die man mit den Anfängen der lateinischen Worte kurz "saligia" nannte
(Beil. S. 194), erscheinen dann die sieben Haupttugenden (fides, spes, Caritas, prudentia, fortitudo, tem-
peranlia, iustitia), welche gegen die sieben Todsünden streiten (vgl. Beilage S. 19), das Ave Maria, welches
Luther in seinem ßetbüchlein noch beibehielt (auch im Züricher Wandcatechismus von 1525 steht es noch),
aber von seinem Catechismus ausschloss. Ferner die neun fremden Sünden (S. 16), die fünf rufenden
Sünden, die stummen Sünden, die sechs Werke der Barmherzigkeit, die sieben Gaben des heiigen
Geistes, die zwölf Früchte des heiligen Geistes, die Sünden wider den heiligen Geist, die acht Seligkeiten
(S. 195—196) auch ward bei den Beichtfragen auf die fünf äusseren und fünf inneren Sinne Rücksicht
genommen, so wie auf die sieben Gebote der Kirche und die vier Cardinaltugenden. Alle diese Stücke
finden wir nun freilich nicht bei allen Schriftstellern, und es würde uns zu weil führen, nachzuweisen, welche
bei den Einzelnen vorkommen. Jo. Herolt, ein viel gelesener Schriftsteller, beschränkt sich in seinem Buche
"de erudilione Christi fidelium" auf neun Stücke, die er in folgender Reihe abhandelt: 1) die zehn Gebote,
2) die fremden Sünden, 3) die Hauplsünden, 4) die Werke der Barmherzigkeit, 5) das Vater unser, 6) das
Ave Maria, 7) der Glaube, 8) die Sacramente, 9) die Gaben des heiligen Geistes. — Was Ludolf von Göttingen
in seinen Bereich zog, ist S. 89, was Lanzkranna, S. 108 mitgetheilt. Jedenfalls war die Mannigfaltigkeit sehr
gross, und dass diese Mannigfaltigkeil das Verständniss nicht erleichterte, sondern erschwerte, lässt sich nicht
leugnen. Die Einfältigen mussten dadurch verwirrt werden, und es ist ein grosses Verdienst Luthers, dass er
den Catechismus in feste engere Gränzen eingeschlossen und auf die fünf Hauptstücke zurückgebracht hat. Das
Verdienst haben selbst die Gegner, wenn auch stillschweigend, anerkennen müssen, indem sie Luther folgten
und sich derselben Beschränkung unterwarfen. Der Catechismus Romanus hat ja dieselben Hauptstücke, nur in
einer anderen Reihefolge (Glaube, Sacramente, Gebote, Vater Unser) und mit dem Unterschiede, dass er der
katholischen Kirchenlehre folgend, von sieben Sacramenlen handelt.

*) * (Abraham de Vries) Supplementum Catalogi Biblioth. ***) Klagt doch Antonin in seinem Beichtbuche, dass

Harlemensis. Hartem 1852, p. 90—91. mancher Beichtvater "posnit se ad audiendum confessiones

**) "Ein hübsche predig, wie die X gebot werden auf die ignorans et nesciens discernere inter mortale et veniaie.
Vlltodsünd gezogen" in: Die Xgebot. Basel 1520. Bl. 105—110.
 
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