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Trosl vorherrschende Bestreben, die zehn Gebote durch lehrhafte Geschichten zu erläutern, setzt sich fort in
dem grossen protestantischen Werke von Andreas Hondorff und Zacharias Rivander. *) Wie natürlich die
Weise des fünfzehnten Jahrhunderts ist, die zehn Gebote als Beichtspiegel zu benutzen, dafür geben zwei weit-
verbreitete protestantische Communionbücher der neuesten Zeit Zeugniss, das meines lieben Amtsgenossen Herrn
Pastor Dr. John und das des Herrn Prälaten Dr. Kapff. Beide haben mir auf mein Befragen erklärt, es sei
ihnen die Weise des fünfzehnten Jahrhunderts ganz fremd gewesen, als sie in ihre Bücher nach den zehn
Geboten geordnete Fragen aufnahmen. Es gewährt ein besonderes Interesse, diese aus dem Geiste und Bedürfnisse
des neunzehnten Jahrhunderts heraus gestellten Fragen mit denen zu vergleichen, die der Beichtpriester vor
400 Jahren nölhig fand. Doch diese Vergleichung anzustellen, muss ich meinen Lesern selbst überlassen, sie
gehört, wie die Characterisirung der genannten katholischen und protestantischen Werke, nicht mehr in den
Bereich meiner Untersuchung.
Die Tafeln zu diesem Buche zeigen die rohen Anfänge des Holzschnitts, wie er dem Volksunterrichte
diente. Nach einer kurzen Blüthezeit, welcher die, öfter erwähnten Darstellungen von Hans Baidung Grün an-
gehören, gerieth er in grossen Verfall und das Pfuscherwerk, welches die Bibeln und Catechismen des vorigen
Jahrhunderts entstellte, musste mit Recht verschwinden. Es ist erfreulich, wahrzunehmen, wie die, zu neuem
schönen Leben erwachte Kunst sich in den Dienst des Volksunterrichts stellt, und die heilige Schrift und den
Catechismus in würdiger Weise zu schmücken beginnt. Es sind aber erst Anfänge und ein weites Feld des
Wetteifers ist edeln Künstlern geöffnet, die es nicht zu gering achten, auf die religiöse und künstlerische Ausbil-
dung unseres Volkes heilsam einzuwirken.
Ich möchte zum Schlüsse noch einmal an den Anfang dieses Buches anknüpfen. Was ich in dem-
selben zu leisten versucht habe, zeigt bei allen Mängeln, die einem ersten Versuche auf einem, bis dahin noch
unangebauten Felde nicht fehlen werden, gewiss dies, dass es in der Kirchen- und Cultur- und wohl auch in
der politischen Geschichte des fünfzehnten Jahrhunderts noch gar Vieles aufzuhellen giebt. Möchten sich doch
recht viele Kräfte dieser Arbeit zuwenden. Diese Arbeit ist aber nicht allein eine hochnöthige und heilsame, wenn
wir zum rechten Verständnisse des Reformationszeitalters kommen wollen, sondern sie hat noch einen besondern '
Vorzug. Das fünfzehnte Jahrhundert ist noch ein neutraler Boden, und der Forscher, welcher Confession er
auch angehöre, wird bei der Anschauung dessen, was sich ihm darbietet, durch Vorurtheile, die er hinzubringt,
weniger beherrscht werden. Da könnten Alle, wo sie auch stehen, wetteifern der Wahrheit und Gerechtigkeit,
und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit die Ehre zu geben. Es ist doch zum Erschrecken, w«nn man es
wahrnimmt, wie sich an allen Enden in unsern Tagen die confessionelle Verstocktheit der Geschichte zu be-
mächtigen sucht, und ihren ersten Gesetzen (ne quid falsi dicere audeat, ne quid veri non audeat) Hohn spricht. Was
in dieser Weise die historisch-politischen Blätter seit vielen Jahren geleistet haben, ist bekannt, aber hüten wir
uns die confessionelle Geschichtsfälschung nur auf einer Seite zu suchen. Wohl ist der greuliche, die Refor-
mationsgeschichte verzerrende Roman des Convertiten Meinhold, welchen, wie so manches andere giftige Con-
vertitenwerk, die historisch - politischen Blätter jubelnd in die Welt eingeführt haben, ein entsetzliches Buch,
aber wenn man gerecht sein will, so muss man gestehen, dass die " freiherrlich lutherische" Weltgeschichte des
Herrn von Maltzan nicht um ein Haar besser ist. — Man darf auch nicht denken, solche Geschichtsverzerrung
sei nur ein, immerhin hässliches, Vergnügen für die, welche daran Wohlgefallen finden, sondern wir haben
die bittern Früchte davon schon in manchem katholischen Hirtenbriefe und in manchem protestantischen Con-'
sislorialdecrete zu schmecken bekommen. — Was unserer Zeit, und wahrlich nicht um der Wurde der
*) Andreas Hondorff Promptuarium Exemplorum d. i. Frankfurt a. M. 1577, Fol., II. Theil durch Magister Zacharias
Historien- und Exempelbuch nach Ordnung der zehen Gebott. Riyander. Frankf. 15SI. Fol.
Trosl vorherrschende Bestreben, die zehn Gebote durch lehrhafte Geschichten zu erläutern, setzt sich fort in
dem grossen protestantischen Werke von Andreas Hondorff und Zacharias Rivander. *) Wie natürlich die
Weise des fünfzehnten Jahrhunderts ist, die zehn Gebote als Beichtspiegel zu benutzen, dafür geben zwei weit-
verbreitete protestantische Communionbücher der neuesten Zeit Zeugniss, das meines lieben Amtsgenossen Herrn
Pastor Dr. John und das des Herrn Prälaten Dr. Kapff. Beide haben mir auf mein Befragen erklärt, es sei
ihnen die Weise des fünfzehnten Jahrhunderts ganz fremd gewesen, als sie in ihre Bücher nach den zehn
Geboten geordnete Fragen aufnahmen. Es gewährt ein besonderes Interesse, diese aus dem Geiste und Bedürfnisse
des neunzehnten Jahrhunderts heraus gestellten Fragen mit denen zu vergleichen, die der Beichtpriester vor
400 Jahren nölhig fand. Doch diese Vergleichung anzustellen, muss ich meinen Lesern selbst überlassen, sie
gehört, wie die Characterisirung der genannten katholischen und protestantischen Werke, nicht mehr in den
Bereich meiner Untersuchung.
Die Tafeln zu diesem Buche zeigen die rohen Anfänge des Holzschnitts, wie er dem Volksunterrichte
diente. Nach einer kurzen Blüthezeit, welcher die, öfter erwähnten Darstellungen von Hans Baidung Grün an-
gehören, gerieth er in grossen Verfall und das Pfuscherwerk, welches die Bibeln und Catechismen des vorigen
Jahrhunderts entstellte, musste mit Recht verschwinden. Es ist erfreulich, wahrzunehmen, wie die, zu neuem
schönen Leben erwachte Kunst sich in den Dienst des Volksunterrichts stellt, und die heilige Schrift und den
Catechismus in würdiger Weise zu schmücken beginnt. Es sind aber erst Anfänge und ein weites Feld des
Wetteifers ist edeln Künstlern geöffnet, die es nicht zu gering achten, auf die religiöse und künstlerische Ausbil-
dung unseres Volkes heilsam einzuwirken.
Ich möchte zum Schlüsse noch einmal an den Anfang dieses Buches anknüpfen. Was ich in dem-
selben zu leisten versucht habe, zeigt bei allen Mängeln, die einem ersten Versuche auf einem, bis dahin noch
unangebauten Felde nicht fehlen werden, gewiss dies, dass es in der Kirchen- und Cultur- und wohl auch in
der politischen Geschichte des fünfzehnten Jahrhunderts noch gar Vieles aufzuhellen giebt. Möchten sich doch
recht viele Kräfte dieser Arbeit zuwenden. Diese Arbeit ist aber nicht allein eine hochnöthige und heilsame, wenn
wir zum rechten Verständnisse des Reformationszeitalters kommen wollen, sondern sie hat noch einen besondern '
Vorzug. Das fünfzehnte Jahrhundert ist noch ein neutraler Boden, und der Forscher, welcher Confession er
auch angehöre, wird bei der Anschauung dessen, was sich ihm darbietet, durch Vorurtheile, die er hinzubringt,
weniger beherrscht werden. Da könnten Alle, wo sie auch stehen, wetteifern der Wahrheit und Gerechtigkeit,
und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit die Ehre zu geben. Es ist doch zum Erschrecken, w«nn man es
wahrnimmt, wie sich an allen Enden in unsern Tagen die confessionelle Verstocktheit der Geschichte zu be-
mächtigen sucht, und ihren ersten Gesetzen (ne quid falsi dicere audeat, ne quid veri non audeat) Hohn spricht. Was
in dieser Weise die historisch-politischen Blätter seit vielen Jahren geleistet haben, ist bekannt, aber hüten wir
uns die confessionelle Geschichtsfälschung nur auf einer Seite zu suchen. Wohl ist der greuliche, die Refor-
mationsgeschichte verzerrende Roman des Convertiten Meinhold, welchen, wie so manches andere giftige Con-
vertitenwerk, die historisch - politischen Blätter jubelnd in die Welt eingeführt haben, ein entsetzliches Buch,
aber wenn man gerecht sein will, so muss man gestehen, dass die " freiherrlich lutherische" Weltgeschichte des
Herrn von Maltzan nicht um ein Haar besser ist. — Man darf auch nicht denken, solche Geschichtsverzerrung
sei nur ein, immerhin hässliches, Vergnügen für die, welche daran Wohlgefallen finden, sondern wir haben
die bittern Früchte davon schon in manchem katholischen Hirtenbriefe und in manchem protestantischen Con-'
sislorialdecrete zu schmecken bekommen. — Was unserer Zeit, und wahrlich nicht um der Wurde der
*) Andreas Hondorff Promptuarium Exemplorum d. i. Frankfurt a. M. 1577, Fol., II. Theil durch Magister Zacharias
Historien- und Exempelbuch nach Ordnung der zehen Gebott. Riyander. Frankf. 15SI. Fol.