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Gerland, Otto
Die spätromanischen Wandmalereien im Hessenhof zu Schmalkalden: nach Originalaufnahmen veröffentlicht und beschrieben — Leipzig, 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.22586#0024
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i8

C. Die Gemälde.

Kuppeln abgenommen waren, oder mit Stearinkerzen wahrgenommen werden
konnten, soweit sie überhaupt noch wahrnehmbar sind. Die Wände des Raumes,
der seit langen Jahren als Kohlenkeller benutzt wird, sind dazu sehr stark, nament-
lich in der nordöstlichen. Ecke mit zum Teil Jahrhunderte altem Staub und Schmutz,
insbesondere Kohlenstaub bedeckt, wodurch einzelne Bilder, vorzugsweise aber
die in der untersten Reihe an der Ostseite vollständig oder doch fast ganz zer-
stört worden sind. Ein an einer ganz kleinen Ecke und einer an sich wert-
losen Linie gemachter Versuch ergab zwar, dass die Bilder nach einer Anfeuchtung
schärfer hervortreten würden; von der Durchführung einer solchen Behandlung
musste aber selbstverständlich Abstand genommen werden, weil man fürchten
musste, mit einer solchen Behandlung die Bilder ganz zu zerstören. Die bemalten
Flächen konnten daher nur oberflächlich mit einem weichen Besen abgefegt
werden. Von einer Durchpausung der Bilder konnte unter diesen Umständen
und bei der in dem Keller herrschenden Dunkelheit keine Rede sein, selbst eine
Abzeichnung wäre mit den grössten, fast unüberwindlichen Schwierigkeiten ver-
bunden gewesen. Es blieb also nur die Photographie als geeignetes Mittel zur
Wiedergabe der Bilder übrig, die ja mit unerbittlicher Treue auch die feinsten,
dem Auge oft nicht mehr wahrnehmbaren Linien auf der Platte zur Darstellung
bringt. Auf photographischem Wege wurden dann auch die Malereien auf sieben
Platten abgenommen. Da nun aber die Photographie auch gleichzeitig alle Risse,
Sprünge und Flecken der bemalten Flächen wiedergeben musste, so war es, um
reine Bilder zu erlangen, notwendig, auf den ursprünglichen Aufnahmen die ein-
zelnen erhaltenen Striche der Malereien mit Bleistift nachzuzeichnen, dann den
übrigen Inhalt der Photographie durch Fixage zu entfernen und die nunmehr
übrig gebliebenen nachgezeichneten Linien nochmals zu photographieren, wodurch
man, soweit es überhaupt noch möglich ist, die Bilder, wie sie ursprünglich waren,
erhielt. Um den Zusammenhang der im Gewölbe vorhandenen Malereien nach
den Seiten und nach oben und unten wiederzugeben, sind die Aufnahmen in
der Weise gemacht worden, dass man an den Seiten der Hauptbilder die Ansätze
der benachbarten wahrnehmen kann. Eine andere Art der Wiedergabe erwies
sich bei der Aufnahme als unthunlich.

Die bemalten Flächen sind nach unten zu durch einen etwa 2 cm breiten
braunroten Streifen, der sich um die jetzt vermauerte Fensternische in der Ost-
wand herumzieht, abgeschlossen; die einzelnen Gemäldereihen im Gewölbe werden
durch etwa 4 cm breite goldgelbe Streifen getrennt.

Zur Darstellung der Bilder im einzelnen übergehend, wenden wir uns zu-
nächst an das grösste und mit am besten erhaltene Bild in dem Bogenfeld der
nördlichen Stirnwand, das, wie es das grösste und an der am leichtesten zu be-
trachtenden Hauptstelle angebracht ist, wohl als der Mittelpunkt der sämtlichen
Darstellungen gelten kann.

Wie wir aus Tafel I ersehen, sitzen an einer langen, mit weissem, in
festen Falten herabfallenden Linnen gedeckten Tafel, auf der ähnlich der bei
Müller und Mothes Band II S. 902 aus dem zwischen 1160 und 1175 gemalten
Hortus deliciarum der Pierrad von Landsberg abgebildeten Tafel Schüsseln,
Trinkgefässe, Brote, Messer u. s. w. verteilt sind, sechs Personen, paarweise ein-
ander zugekehrt, während von rechts und links ein Diener oder eine Dienerin
ein Gefäss herzuträgt. Drei der sitzenden Personen tragen weisse Gebende auf
 
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