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D. Zur Prüfung der Malereien etc.
D. Zur Prüfung der Malereien bezüglich ihres Inhalts und
ihrer Entstehungszeit und damit gleichzeitig des ausgeschmückten
Raumes bezüglich seines Zwecks.
Dabei bedarf es I. zunächst einer Berichtigung der von Hase in der Zeit-
schrift für christliche Kunst, Jahrgang VI, S. 122 ff! gegebenen Deutung und
II. alsdann der Begründung der hier zu vertretenden Ansichten.
I. Ich bin leider gezwungen, die von Hase gegebene Deutung fast voll-
ständig widerlegen zu müssen. Nur insofern muss ich mit ihm übereinstimmen,
als ich nach der Art und Weise des Mauerwerks und mit Rücksicht auf das
Fehlen jeglichen Spitzbogens, nach dem Stil der Bilder und nach der Kleidung
und Ausrüstung der dargestellten Personen sowohl das Bauwerk als auch
die Bilder der spätromanischen Zeit zuweisen möchte; auf eine genauere Zeit-
bestimmung werde ich noch (unter II.) zurückkommen.
Hase nimmt nun weiter an, wir haben die Krypta einer Kapelle vor uns,
welche von der heiligen Elisabeth im Sommer 1227 gelegentlich des Abschieds
von ihrem Gatten Landgraf Ludwig IV. von Thüringen bei dessen Abreise in
den Kreuzzug, von dem er nicht zurückkehren sollte, zu bauen begonnen und
nach deren unerwartet schnell eingetretenem Tod im Spätherbst 1231 auf das
schleunigste und deshalb sehr flüchtig mit Darstellungen aus dem Leben der
heiligen Elisabeth ausgemalt worden sei, weil man in Schmalkalden gehofft habe,
den Leichnam der hochverehrten, aber damals noch nicht heilig gesprochenen
Frau dort beisetzen zu können. Ich muss dies alles im einzelnen widerlegen.
Die Grundlage für Hases Ansicht bildet eine ganz unbestimmte, durch
keinerlei Urkunde beglaubigte chronikalische Nachricht späterer Jahrhunderte,
wonach auf der Pfaffengasse zu Schmalkalden eine Wallfahrtskapelle der heiligen
Elisabeth gestanden haben soll, ohne dass der Platz dieser Kapelle genauer an-
gegeben werden kann. Eine gleich unbestimmte Nachricht giebt Weinrich in
seiner Hennebergischen Kirchenstatistik für Meiningen. Nun. haben wir über den
Abschied der heiligen Elisabeth von ihrem Gemahl, der am 24. Juni 1227 zu
Schmalkalden stattgefunden hat, die allergenauesten beglaubigten Nachrichten,
selbst die einzelnen Worte, die das edle Paar im Trennungsschmerz gesprochen
hat, die Ausrufe der sich an ihren Vater anschmiegenden Kinder sind uns genau
überliefert, aber nicht eine Nachricht darüber ist vorhanden, dass Elisabeth, die
sich auch nur ganz kurz in Schmalkalden, dem damaligen südlichsten Ort
Thüringens auf dem von ihrem Gemahl eingeschlagenen Wege, aufgehalten hat,
hier eine Kapelle gestiftet habe, wäre dies wirklich der Fall gewesen, so hätten
wir unbedingt darüber Nachricht. Denn es hätte dazu die Stiftung einer Pfründe
(dedicatio) gehört, über welche eine Urkunde hätte aufgenommen werden müssen,
die nicht so ganz spurlos hätte verschwinden können. Wir wissen ganz genau
von allen geistlichen Stiftungen in Schmalkalden, was aus ihnen nach der Refor-
mation geworden ist, da sowohl die hessischen Landgrafen als die Fürsten von
Henneberg auf das ängstlichste bemüht waren, alles Kirchengut zu ähnlichen
Zwecken wie bisher, wenn auch unter weltlicher Leitung zu verwenden, und da
wäre es doch im höchsten Masse auffallend, wenn nun gerade von einer Stiftung
der heiligen E'isabeth, „des Landes Hauptfrau", der hochgefeierten Stammmutter
des hessischen Fürstenhauses, das auch noch nach der Reformation auf diese
D. Zur Prüfung der Malereien etc.
D. Zur Prüfung der Malereien bezüglich ihres Inhalts und
ihrer Entstehungszeit und damit gleichzeitig des ausgeschmückten
Raumes bezüglich seines Zwecks.
Dabei bedarf es I. zunächst einer Berichtigung der von Hase in der Zeit-
schrift für christliche Kunst, Jahrgang VI, S. 122 ff! gegebenen Deutung und
II. alsdann der Begründung der hier zu vertretenden Ansichten.
I. Ich bin leider gezwungen, die von Hase gegebene Deutung fast voll-
ständig widerlegen zu müssen. Nur insofern muss ich mit ihm übereinstimmen,
als ich nach der Art und Weise des Mauerwerks und mit Rücksicht auf das
Fehlen jeglichen Spitzbogens, nach dem Stil der Bilder und nach der Kleidung
und Ausrüstung der dargestellten Personen sowohl das Bauwerk als auch
die Bilder der spätromanischen Zeit zuweisen möchte; auf eine genauere Zeit-
bestimmung werde ich noch (unter II.) zurückkommen.
Hase nimmt nun weiter an, wir haben die Krypta einer Kapelle vor uns,
welche von der heiligen Elisabeth im Sommer 1227 gelegentlich des Abschieds
von ihrem Gatten Landgraf Ludwig IV. von Thüringen bei dessen Abreise in
den Kreuzzug, von dem er nicht zurückkehren sollte, zu bauen begonnen und
nach deren unerwartet schnell eingetretenem Tod im Spätherbst 1231 auf das
schleunigste und deshalb sehr flüchtig mit Darstellungen aus dem Leben der
heiligen Elisabeth ausgemalt worden sei, weil man in Schmalkalden gehofft habe,
den Leichnam der hochverehrten, aber damals noch nicht heilig gesprochenen
Frau dort beisetzen zu können. Ich muss dies alles im einzelnen widerlegen.
Die Grundlage für Hases Ansicht bildet eine ganz unbestimmte, durch
keinerlei Urkunde beglaubigte chronikalische Nachricht späterer Jahrhunderte,
wonach auf der Pfaffengasse zu Schmalkalden eine Wallfahrtskapelle der heiligen
Elisabeth gestanden haben soll, ohne dass der Platz dieser Kapelle genauer an-
gegeben werden kann. Eine gleich unbestimmte Nachricht giebt Weinrich in
seiner Hennebergischen Kirchenstatistik für Meiningen. Nun. haben wir über den
Abschied der heiligen Elisabeth von ihrem Gemahl, der am 24. Juni 1227 zu
Schmalkalden stattgefunden hat, die allergenauesten beglaubigten Nachrichten,
selbst die einzelnen Worte, die das edle Paar im Trennungsschmerz gesprochen
hat, die Ausrufe der sich an ihren Vater anschmiegenden Kinder sind uns genau
überliefert, aber nicht eine Nachricht darüber ist vorhanden, dass Elisabeth, die
sich auch nur ganz kurz in Schmalkalden, dem damaligen südlichsten Ort
Thüringens auf dem von ihrem Gemahl eingeschlagenen Wege, aufgehalten hat,
hier eine Kapelle gestiftet habe, wäre dies wirklich der Fall gewesen, so hätten
wir unbedingt darüber Nachricht. Denn es hätte dazu die Stiftung einer Pfründe
(dedicatio) gehört, über welche eine Urkunde hätte aufgenommen werden müssen,
die nicht so ganz spurlos hätte verschwinden können. Wir wissen ganz genau
von allen geistlichen Stiftungen in Schmalkalden, was aus ihnen nach der Refor-
mation geworden ist, da sowohl die hessischen Landgrafen als die Fürsten von
Henneberg auf das ängstlichste bemüht waren, alles Kirchengut zu ähnlichen
Zwecken wie bisher, wenn auch unter weltlicher Leitung zu verwenden, und da
wäre es doch im höchsten Masse auffallend, wenn nun gerade von einer Stiftung
der heiligen E'isabeth, „des Landes Hauptfrau", der hochgefeierten Stammmutter
des hessischen Fürstenhauses, das auch noch nach der Reformation auf diese