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Giesau, Hermann
Der Dom zu Magdeburg — Deutsche Bauten, Band 1: Burg bei Magdeburg: Druck und Verlag August Hopfer, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.67279#0026
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Die Figuren gehören unzweifelhaft mit dem kleinen Bauwerk
zuſammen, was durch die genaue Abereinſtimmung des Maßes
der beiden Thronſeſſel mit der Seite des Sechzehnecks, vor der ſie
ſtehen, bewieſen wird. Anſicher iſt nur, ob ſie vor Abertragung
der Kapelle an die jetzige Stelle (vorher an dem Langſchiffpfeiler,
an dem jetzt die Kanzel ſteht) ebenfalls auf einem Altar geſtanden
haben. Stilformen der Kapelle ähnlich denjenigen des alten Bal
dachins über der Reiterſtatue auf dem Marktplatz und der bald
nach 1235 entſtandenen Fenſterwand des öſtlichen Kreuzgang-
flügels. Als Vorbild für die Kapelle wird eine Heiliggrabkapelle
gedient haben. Für dieſe Vermutung ſpricht die auffallende Ahn
lichkeit des kleinen Bauwerks mit der Heiliggrabkapelle im Dom
zu Konſtanz, deren ſkulpturaler Schmuck ebenfalls Beziehungen zu
Magdeburg aufweiſt. Die Figuren ſind wahrſcheinlich von dem
Künſtler der kleinen Tugenden und Laſter des Figurenportales
gefertigt unter Verarbeitung von Bamberger Eindrücken, deſſen
frühgotiſche Plaſtik der Bildhauer gekannt haben muß.

6. Zehn Statuen derklugenundtörichten ungfrauen. Nörd-
liches Querhausportal in der Paradiesvorhalle. Am 124550.
Die Figuren paſſen ihrer Breite nach nicht in das Gewände und
auf die Konſolen des jetzigen ſchmalgliedrigen ſpätgotiſchen Por-
tales und waren vermutlich mit den Figuren der Ekkleſia und
Synagoge als Erſatz für das unvollendet gebliebene frühgotiſche
Weſtportal (Nr. 3) beſtimmt. Es iſt auch nicht unwahrſcheinlich,
daß die Figuren bereits aufgeſtellt waren, als man ſich plötzlich
gegen 1250 im Zuſammenhang mit der Erweiterung der Seiten
ſchiffe zur Verlängerung des Langſchiffes nach Weſten entſchloß.
Die Figuren gehören in der naiven Friſche und munteren Beweg ⸗
lichkeit, in der graziöſen Anmut der Körper zu dem Bedeutendſten,
was die deutſche Plaſtik des 13. Jahrhunderts hervorgebracht hat.
In der Draſtik der Gebärdung und der Hemmungsloſigkeit des
Affekts verrät ſich im Anterſchied zu der Gemeſſenheit und

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