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Galerie Schach.
Als Sprosse einer römischen Familie kam Genelli im September 1798, wahrscheinlich am 28., in
Berlin zur Welt. Sein Grossvater, Johann Franz Joseph Genelli, war aus Rom nach Kopenhagen gewan-
dert, wo er als Kunststicker bei Hof angestellt gewesen zu sein scheint; aus Dänemark wurde er nach
Berlin berufen, als Friedrich der Grosse den Plan fasste, die Gobelinweberei in Aufnahme zu bringen.
In der Eigenschaft als Kunststicker hat er nicht bloss Prunkgewänder für die Königin und die Prinzessinnen
o-eschmückt, sondern er scheint auch eine Zierde der Berliner Academie gewesen zu sein, da er unter
den Professoren oder Mitgliedern derselben aufgeführt wird und nach eingetretener Erwerbsunfähigkeit
eine Peniion erhalten hat.1 Von seinen drei Söhnen war der erste, Janus, ein ziemlich begabter Land-
schaftsmaler, der zweite, Hans Christian, ein gelehrter und geistig hervorragender, aber zur praktischen
Bethätigung seiner Fähigkeiten wenig geeigneter Architecft, der früh verstorbene jüngste Sohn ein
Kunststicker. Janus Genelli, der Vater unseresKünstlers, scheint sich durch die Ausübung seiner Kunst bald
schlechter bald besser fortgebracht zu haben; die unglückseligen Zustände aber, welche über Preussen
nach der Schlacht bei Jena hereinbrachen, versetzten auch ihn in eine traurige Lage. Er war genöthigt,
seine Familie 1806 zu einem Freunde auf's Land zu schicken, wo sie vier Jahre einsam verbrachte, und
nahm auf die Erziehung der Kinder keinen wesentlichen Einssuss, zumal er bald nach der Rückkehr der
Seinen nach Berlin starb. Aus der Kinderzeit unseres Künstlers ist nur bemerkenswerth, dass der Vater,
ein freigeistiger Kantianer, welcher in den Kreisen Rakel's verkehrte, ihn erst im vierten Lebensjahre,
1802, zugleich mit seinen beiden jüngeren Brüdern Christoph und Joseph, taufen liess, so dass
Buonaventura's nachmaliges antikisirendes Heidenthum in der Kunst durch ein an der Wende des
vorigen Jahrhunderts ausserhalb Frankreichs äusserst seiten vorkommendes persönliches Verhältniss
gleichsam angedeutet erscheint. Ungleich grösser war der Einssuss seiner Mutter, einer Frau von grosser
Schönheit und Begabung, und vor Allem seines Oheims, des Architecften, welcher nach dem Zeugnisfe
Varnhagens ein genialer, von sokratischem Geiste angehauchter Mann gewesen ist, den seine, den
gebildetsten Berliner Kreisen angehörigen Freunde hoch schätzten und welcher in seiner Familie bis
zu seinem im Jahre 1823 eingetretenen Tode die entscheidende Stimme führte. Buonaventura bemerkt
in seinen autobiographischen Aufzeichnungen: ,,Meiner Mutter, dann meinem Oheim, dem Architeclen
Genelli, dem Don Quixote und den Gesangen Homer's hab' ich das etwaige Gute, was an mir als
Künstler und Mensch ist, zu danken." Auch von einer Freundin des Hauses und namentlich des
Oheims, der Gräfin Carolina von Finkenstein, einer reich begabten, schwärmerischen und dem in der
Zeit der Romantik so häufig vorkommenden Cultus genialer Individualitäten ergebenen Dame, empfing
Buonaventura vielfache Förderung. Seine geistige Regsamkeit und seine blühende Schönheit als
Ephebe, welche sich nachmals in jene kraftvolle männliche Schönheit umwandelte, die an dem Künstler
stets bewundert wurde, haben viel dazu beigetragen, ihm in seiner Jugend, der glücklichsten Periode
seines Lebenslaufes, den Weg zur Ausbildung und freien Entfaltung seiner Kräfte zu bahnen. In
Genelli's geistvoll und sinnig mit dem Stifte geschilderter Selbstbiographie " finden wir Reminiscenzen
an diese schöne Zeit: auf einem Blatte sleht er einem Künstler Modell zu einem vom Throne Jupiters
niedersteigenden Amor, auf einem anderen lagert er auf einer einsamen Felskuppe zu Füssen seiner
Jugendfreundin, der Gräfin Finkenstein, und lauscht entzückt der süssen Musik ihrer Stimme.
Aus der Lehrzeit Genelli's, welcher den künstlerischen Beruf als Sprosse einer Künstlerfamilie wie
selbstverständlich ercrriff, haben sich fast "far keine Zeugmisse erhalten. Nach dem Tode seines Vaters
leitete der philosophische Oheim seine Erziehung mit unausgesetzter Obsorge und Hingebung, ohne

1 Vgl. die biographische Skizze ..Buonaventura Genelli" von Max Jordan in Lüizow's ,,Zeitschr f bild Kunst," B<t V, 1870, S 3
- ,,Aus dem Leben eines Künstlers" von Buonaventura Genelli. 24 Compositionen in Kupfer gestochen von J Bürger, K von Gönnen-
buch, II Merz und H Schutz. Leipzig, Alphonb Dürr, 180S
II
 
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