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Galerie Schack.
der genöthio-t ist, mit dem Centauren, den er reitet, in das Meer zu springen, wo ihn Thetis und die
Nereiden aufnehmen, indess die den Gott begleitenden, den Cultus bringenden Musen schreckensvoll
durch die Lüfte enteilen. Die Idee zu dieser Darstellung hat der Künstler aus einem seiner Erbauungs-
bücher, aus der Dias, geschöpft, deren sechster Gesang die Schilderung enthält:
,..................Der starke Lykurgos
Lebte nicht lang, als gegen der Götter Macht er gestritten
Und Dionysos, des schwarmenden Weingotts, Ammen verfolgend
Jagte vom heiligen Berge Nyseion; alle zugleich sie
Warfen die laubigen Stäbe hinweg, als der Mörder Lykurgos
Wild mit dem Stachel sie schlug; auch ssoh Dionysos und tauchte
Unter die Wogen der See, und Thetis barg im Gewandschoss
Ängstlich den Gott, der erschrack ob der dräuenden Stimme des Mannes."
Glücklicher Weise bewahrt die Galerie Schack den Carton zu diesem Gemälde, so dass es möglich
war, dasselbe in der nicht leicht zu übertragenden Genelli'schen Handschrift vorzuführen.
Der Künstler, welcher bereits so grossartige Entwürfe geschaffen hatte, fand leider kein Verständ-
niss; nicht nur nicht in Leipzig, was am Ende begreiflich erscheint, sondern auch nicht in den damaligen
deutsehen Kunststädten. Mittellos itand er da und ohne Aussicht für die Zukunft; nichts hatte er
während seines vierjährigen Aufenthaltes auf deutsehem Boden davongetragen, als ein armes, aber
heissgeliebtes und ungewöhnlich schönes Weib, das muthvoll und treu ihm die schlimmen Tage tragen
half, welche nun folgten. In Leipzig konnte er nicht länger bleiben; mit Berlin hatte er es gründlich
und für immer verdorben; so zog er 1836 nach München, in derHoffnung, durch Cornelius und Rottmann,
mit denen er in Rom bekannt geworden war, zu den monumentalen Arbeiten für König Ludwig heran-
gezogen zu werden. Leider schlugen alle Versuche, in dem damals hochgehenden Kunstleben der
Isarstadt Boden zu gewinnen, gänzlich fehl. Dem König Ludwig war der stolze steifnackige Künstler
nicht sympathisch; in München gab man als Grund an, dass Genelli ihm auf die Frage, woran er arbeite,
kurz und scharf, aber wahr gesagt habe: „An dem Leben eines Wüstlings." Erst in den Fünfziger Jahren
fand sich der König bei Genelli häufiger ein und lobte seine Arbeiten, ohne jedoch eine Bestellung zu
machen. An der Ausschmückung der Ludwigskirche sich zu betheiligen, musste Genelli ablehnen, um sich
selbst nicht untreu zu werden; ein Versuch von Cornelius, für den geschätzten Kunstgenosfen eine Stelle
in Berlin zu erlangen, blieb erfolglos. So verbrachte Genelli in München fall ein Vierteljahrhundert in
drückender Armuth; oft konnte er, wie Paul Heyfe erzählt, nicht die Bleistifte kaufen, mit denen er
seine Träume von den Göttern Griechenland's in zarten Linien niederschrieb, und manchesmal
musste er Blätter von grosser Schönheit zerschneiden, um die Rückseite zu benutzen. Wie in Rom
musste er sich auch in München selbst Modell stehen und die schöne Gattin wie die blühenden Kinder
dienten dem gleichen künstlerischen Zwecke. Nur einige Freunde, deren Zahl sich allmählig vergrösserte,
fliegen die hohe unbequeme Holztreppe zu seiner mehr als bescheidenen Behausung am alten Stadt-
graben zwischen dem Josephs- und Sendlinger-Thore hinan, um fich an der Persönlichkeit des Künstlers
und an seinen Schöpfungen zu erfreuen. Genelli ertrug Alles mit der Gelasfenheit eines antiken Weisen;
die in Rom gewonnene Lebensregel ,,Cuor forte rompe cattiva sorte," welche er einmal seinem Freunde
Rahl brieflich predigt,1 hat er getreulich befolgt; nie hat er theilnehmenden Freunden gegenüber den
Klaggesang von Händel's „Rinaldo:" „Lascia ch'io pianga la dura sorte" angestimmt, in dem sich
schwächere Naturen gefallen, sondern er hörte es sogar nicht gerne, wenn in späteren besseren Tagen
sein ruhiges Erdulden der Armuth gepriesen wurde, das er als selbstverständlich ansah.
1 Vgl, den von Lionel von Donop in der „Zeitschrift für bildende ICunst" mitgetheilten, höchst lesenswerthen Briefwechsel zwischen
Genelli und Rahl (Bd. XII, 1877, S. 28)


 
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