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Gene/h.

Ruf an die neu errichtete Kunstschule zu Weimar, den er annahm, da er ihm eine ruhige behagliche
Existenz sicherte und der Künstler, dessen Heimat Rom war, in München, trotz des langen Aufenthaltes,
sich doch nicht recht heimisch fühlte. In Weimar überstrahlte den Abend seines Lebens ein Abglanz jenes
Glückes, das ihm zu Beginn seiner Laufbahn geleuchtet; während des Jahrzehntes, das er dort durch-
lebte, hat er mit unermüdlichem Fleisse sorgensrei geschaffen und insbesondere seine grossen Gemälde
für die Galerie Schuck hervorgebracht. Zunächst wurde „Herakles Musagetes bei Omphale" nach einem
trefslichen Aquarell aus der römischen Zeit bestellt und Genelli schrieb sogleich an den Freund Rahl:
,Ich bin froh über diesen Auftrag; hübsch wäre es, hätte ich die Mittel dazu, diesen heiteren Gegenstand
auf irgend einer griechischen Insel auszuarbeiten." Es folgte, 1862, der „Kampf des Lykurgos mit den
bacchischen Schaaren", ferner die „Verheissung der Geburt Isaak's", worüber der Künstler an Rahl
schrieb: ,,Das ist eine meiner Lieblingscompositionen. Just dieser Gegenstand ist mir recht, um den
Leuten zu zeigen, dass Nacktheiten nichts Charakterihrendes für meine Kunstrichtung sind, obschon
ich sie am liebsten darsteile", dann „Bacchus unter den Musen" und der „Bühnenvorhang".1 Diese
Arbeiten riefen dem alternden Künstler die schönen römischen Jugendtage zurück, wo er ersonnen,
was ihm nun durchzuführen gegönnt war, und es ist begreiflich, dass, wie Jordan erzählt, „das Asyl in
Weimar eine edle Ruhe, eine Milde und Abklärung in ihm zeitigte, die mit unwiderstehlichem Zauber
wirkten". Kraftvoll im Alter wie in der Jugend, schien Genelli für eine ungewöhnlich lange Lebensdauer
angelegt zu sein; allein der jähe Tod seines einzigen Sohnes Camillo,"' eines hochbegabten Kunst-
jüngers, legte die Axt an sein Leben. Schon im folgenden Jahre, am 13. November 1868, verschied
Genelli, siebzigjährig, aber kein Greis; sein Geist und seine Künstlerhand hatten bis zum letzten Augen-
blick kein Abnehmen der Kraft erkennen lassen.
Das Werk Genelli's charakterisirt vor Allem der bei einem Künstler des neunzehnten Jahrhunderts
doppelt bemerkenswerthe Umstand, dass es mit der Wirklichkeit der Dinge in gar keinem Zusammen-
hange steht. So ausgedehnt und verschiedenartig auch das Stoffgebiet ist, auf welchem der Künstler
sich bewegt hat, seine Gestalten sind durchwegs in einen Raum versetzt, der niemals vorhanden war,
und desshalb sind sie auch von der Categorie der Zeit frei; seine Welt besitzt nur ästhetische Wahrheit,
keine reale. Ein solch' bewusstes und völliges Abkehren von der gemeinen Wirklichkeit des mensch-
lichen Daseins, einen solchen intransigenten Idealismus finden wir nur noch bei seinem Vorgänger, dem
unglücklichen Carßens. Genelli's Idealismus besitzt zudem ein stark individuelles, aus allen seinen
Schöpfungen deutlich hervortretendes Element, welches bewirkt, dass kein einziger Gegenstand, wie
Jordan treffend hervorhebt, „von einem Andern ebenso dargestellt werden kann, wie von ihm." Diese
Individualität des Künstlers prägt sich auch in der Behandlung seiner Stoffe aus, der von ihm erfundenen
sowohl, als der gegebenen. Bei den letzteren begnügt er sich, wie bereits hervorgehoben wrurde,
nicht mit dem Vorhandenen; er spinnt den Inhalt der Sage oder Dichtung weiter aus und gelangt zu
neuen, stets poetischen Momenten, von denen man im ursprünglichen Substrate manchmal einen Keim,
ott aber gar keine Andeutung findet. Sein „Herakles Musagetes bei Omphale", aus welcher der Geist
der Antike so klar und sinnig spricht. behandelt ein fast frei erfundenes Thema; während der hellenische
Mythos ihm nichts bot, als die Figur des Helden, der in den Banden der lydischen Königin eine mit
der Göttlichkeit seines Ursprunges wenig im Einklang slehende Haltung einnimmt, hat der deutsche
Künstler den Halbgott wiedergeschaffen, der im Geleite der Musen bei der Geliebten weilt und siegesfroh,
1 Ein sür die Galerie Sehack bestelltes Bild ,.Bacchus verwandelt Seeräuber in Delphine" blieb leider unausgeführt; der fast vollendete
Carton besindet sich im neuen Museum zu Weimar.
2 Camillo Genelli hatte hauptsächlich in Wien unter Rahl seine künstlerische Ausbildung vollendet und so viel gearbeitet, dass dei Vater
öfters an den Freund schrieb, den Jungen „am rundlichen Fleiss zu hindern". Von Camillo Genelli bewahrt die Wiener Kunstacademie eine
Anzahl Compositionen, aus denen hervorgeht, dass sein früher Tod als grosser Verlud sür die Kunst zu betrachten ist
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