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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 7.1885

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Heft II/III
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https://doi.org/10.11588/diglit.3798#0061
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Ansicht des Gartenpalasses der Fürsicn Schwarsenberg in Wien,

PALASTBAUTEN DES BAROCKSTILS IN WIEN.
MIT UNTERSTÜTZUNG DES K. IC. MINISTERIUMS FÜR CULTUS UND UNTERRICHT
herausgegeben von G. Niemann, Architekt.
Wien, Gefellschaft siir vervielsältigende Kiwß, 1SS3


ICHT gar lange ist es her, dafs die Kunst des 18. Jahrhunderts Gnade sindet vor den Augen der Künftlcr
und Forfcher. Wer würde noch vor anderthalb Jahrzehnten gewagt haben, dem sogenannten „Zopfe"
das Wort zu reden und die Lebens- und Entwicklungssähigkeit eines Baustiles zu behaupten, defsen
Abgeschmacktheit allgemein anerkannt war. Heutzutage aber gibt es Versechter der Barocke genug,
fchreibende und bauende. Ohne zu jenen Enthusiasten zu gehören, welche nun, da alle Stilarten der Welt neben-
und nacheinander in Mode gekommen sind, das alleinige Heil in der Barocke erblicken, können wir doch nur billigen,
dass die kunsthistorische Forschung, die bisher in der Mitte des 17. Jahrhunderts Halt machte, nun auch die Barock-
zeit in ihren Bereich zieht. Allgemein beginnt man einzusehen, dafs man die Werke diefer Periode nicht als eine
verworrene Masfe von Schnörkelwerk betrachten dars; dass es darunter Meisterwerke gibt, die sich mit Werken der
glänzendsten Epochen messen dürsen. Der kritischen Forschung unferer Tage ist es gelungen, fo manche traditionelle
Ungereimtheit zu beseitigen und das Verhältniss der verschiedenen Kunftepochen zu einander in das Fechte Licht
zu setzen. Dass die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts ein wichtiges Glied in der Entwicklungsgeschichte fpeciell der
Architektur bildet, ist nun keine Frage mehr und wird allgemein zugegeben. Man hat blofs das Zusällige, durch
den Gefchmack des Tages Bedingte von dem zu trennen, was diese Periode an Neuem und Bleibendem gefchasfen hat.
Diefes Neue ist bedingt durch das Eindringen des malerischen Principes in die Architektur. Die Tendenz zu gruppiren,
und die innere Raumdisposition nach aussen zur Erscheinung zu bringen, ist in der Baukunft der Spatrenaissance
zuerst erkennbar und wird in der Barocke zum herrschenden Princip. Diese Errungenschaft ift der modernen Bau-
kunst geblieben und ist das gemeinsame Kennzeichen unferer zeitgenössischen Bauwerke, mag auch das äussere Kleid
mitunter griechisch oder bramantesk sein.
 
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