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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Editor]
Die Graphischen Künste — 11.1888

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Heft 3
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Graul, Richard: Von der Edinburger Internationalen Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.3329#0084
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des Stofflichen, welche
die scharf individualisiren-
de Charakteristik der han-
delnden Personen nicht
recht zu Worte kommen
lässt. Wo er es auf eine
gewisse pathetische Wir-
kung abgesehen hat, sleckt
etwas von falscher, über-
triebener Sentimentalität
in seinen trüben Malereien;
derKünstler substituirt sich
zu sehr dem Gegenstande
seiner Darstellung, sein An-
theil an dem bitteren Loos
der Armen ist grösser als
die innerliche Kraft, durch
das Bild den Beschauer
zu ergreifen und zu be-
wegen. Man merkt die Ab-
sicht dieser fast socialisti-
schen Malerei, man wird
verstimmt und denkt un-
willkürlich an die morali-
sirenden Maler socialen
Elends, an den Belgier


Reprodnclion einer Zeichnung von IV. Hole nach Israels.

Eugene de Block, an die
Franzosen Dantan und
Pelez zum Beispiel. Ein
Maler-Dichter von der
überzeugendenKraft eines
Millet oderder wohlthuend
schlichten Innigkeit eines
Breton ist er nicht, aber er
hat einen guten Blick für
das Malerische in der Um-
gebung bescheidenen Da-
seins bewiesen, für die Be-
schränktheit und Dürftig-
keit des ärmlichen Heims.
Israels'malerischeTechnik
sleht ganz auf dem Höhe-
punkte seiner lebendigen
Empfänglichkeit für das
discrete Farbenspiel inner-
halb eines gedämpften Co-
lorits, sein Licht strömt so
leicht und duftig, wie sei-
ne Schatten locker und
durchsichtig fallen. Einem
Künsller von so tüchtigen
Gaben und von so selbst-

sländiger Gesinnung dazu, wie er sie sich erwarb, trotz der Lehrjahre bei Kruseman, Picot und Henri Schefser,
war im Kunstleben Hollands eine führende Rolle sicher; wie erfolgreich sein Beispiel war, das lehrt am besten die
Thätigkeit seines Sohnes, dessen »Auszug holländischer Soldaten nach Indien« auf dem Pariser Salon von 1885
berechtigtes Aufsehen erregte.
Das Bild Jozef Israels', welches die treffliche Radirung Zilcken's wiedergibt — das schlafende Kind, wie es
der Künsller taufte — leidet weniger an dem gerügten Mangel überzeugender Charakteristik. Die einfache Compo-
sition fesselt durch die virtuose Kunst, mit der Israels ein fahles, graues Werkeltagslicht in die Hütte einzuführen
und stimmungsvoll zu vertheilen wusste. Coloristisch ist das Werk überaus reizvoll, dem grau-grünlichen Licht-
schein ist die wärmere Tönung des Holzmobiliars und der Diele entgegengesetzt, einige rothe Tinten auf dem Dach
vor dem kleinen Fenster, auf einigen Geräthen, dann am Herd und endlich auf dem Tuche, das der Lichtschein links
trifft, erhöhen und beleben die sorgfältig bedachte Wirkung dieses Interieurs.
Richard Graul.
 
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