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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Editor]
Die Graphischen Künste — 11.1888

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Heft V
DOI article:
Bode, Wilhelm: Die Fürstlich Liechtenstein'sche Galerie in Wien, [2]
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.3329#0141
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die Zeitbestimmungen anderer sehr charakteristischer, aber in Bezug auf die Zeit ihrer Entstehung
nicht beglaubigter Werke (er setzt zum Beispiel das Venusfest, eines der spätesten Werke des Rubens,
»vor das Jahr 1620«) beweisen, dass ihm ein deutlicher Einblick in den Entwicklungsgang des
Künstlers abging. Gerade dieses Gemälde der Liechtenstein-Galerie bietet für die Bestimmung der
Zeit seiner Entstehung keinerlei Schwierigkeiten. Der helle, kühle Ton, die weiche Färbung mit den
energischen, positiven Farben, die graublauen Schatten, die rothen Reflexlichter im Fleisch, die
sorgfältige, etwas nüchterne Ausführung, der gleichmässig deckende Farbenauftrag sind ebenso
charakteristisch für die elsten Jahre des Künstlers nach seiner Rückkehr aus Italien wie der deutliche
Einfluss der Antike in den Formen der nackten Körper und in den wenig individuellen, mehr
typischen Köpfen und die Studien nach den klassischen italienischen Meistern. Hier sind diese Studien
des italienischen Aufenthaltes besonders stark zu verfolgen. Abgesehen von dem klasfischen Typus
des Kopfes der alten Frau, der in verschiedenen früheren Bildern wiederkehrt, verräth sich die Figur
der zuäusserst links slehenden Tochter des Cekrops als die freie Nachbildung einer Venus aus irgend
einer römischen Gruppe von Mars und Venus oder aus der Gruppe eines Kaiserpaares, das sich in
den Gestalten dieser Götter hatte darstellen lassen. Dieselbe Figur findet sich, nur mit veränderter
Armhaltung, als Amphitrite in dem bekannten Berliner Bilde »Neptun und Amphitrite«, desfen
Entstehung gleichfalls mit Sicherheit in die frühere Zeit des Künstlers zu setzen ist Endlich gibt
auch ein in der Nähe der »Töchter des Cekrops» hängendes Gemälde von Rubens den Anhalt,
noch für eine andere Figur das klassische Vorbild festzustellen: der Oberkörper der rechts am Brunnen
knieenden Tochter des Cekrops ist der Venus eines bekannten Tizian'schen Bildes, die »Toilette
der Venus«, entlehnt, von dem Rubens eine freie Copie anfertigte, die sich jetzt in der Liechtenstein-
Galerie befindet und uns später noch beschäftigen wird. In dem eben genannten Berliner Bilde von
»Neptun und Amphitrite« ist dieselbe Studie für das Profil der blondhaarigen Nymphe im Wasser
verwendet worden; ein Beweis mehr sür die etwa gleichzeitige Entstehung der beiden Bilder.
Einen interessanten Beitrag für die Frage nach der Zeit der Entstehung der »Findung des
Erichthonius« theilt mir Adolf Rosenberg mit. Das Bild ist, wie ich oben erwähnte, durch van Sompel
gestochen; dieser Stich gehört zu denen, die Soutman in Haarlem auf seine Kosten ausführen liess,
nachdem er, spätestens 1619, Rubens' Werkstatt verlassen hatte. Hier hatte er eine Reihe von Zeich-
nungen nach Rubens' Gemälden angefertigt, deren Veröffentlichung er später im eigenen Interesse
ausnützte. Das Bild war also auch danach schon vor 1619 vollendet. —
Der Geschmack der Zeit und Rubens' volle Eigenart kommen kaum in anderen Werken so zum
Ausdruck, wie in den Bildern aus der Geschichte seiner Zeit. Den ersten grossen Auftrag dieser Art
erhielt Rubens durch die verwitwete Königin von Frankreich, Maria de' Medici, welche im Jahre
1621 die Schilderung ihres Lebens in einer Reihe von grossen Bildern zum Schmucke des Luxem-
bourg-Palais bestellte. Rubens erledigte sich dieses Auftrages in dem kurzen Zeiträume von etwa
drei Jahren: im Frühjahr 1625 konnte er die vierundzwanzig Colossalgemälde in der Galerie des
Luxembourg zur Ausstellung bringen. Die Königin war so befriedigt von den Bildern, dass sie dem
Künstler sofort einen zweiten grossen Austrag ertheilte: Rubens sollte, in ähnlicher Weise wie ihr
eigenes Leben, das Leben ihres Mannes in einem Cyclus grosser Decorationsbilder zur Darstellung
bringen. An der Erledigung dieses Auftrages verhinderten Rubens die politischen Verhältnisfe, die
Flucht der Königin aus Frankreich. Dass der Künstler damals aber schon rüstig an der Ausführung
des Cyclus arbeitete, dasür haben wir verschiedene Zeugnisse. Von Skizzen mit Darstellungen aus
dem Leben Heinrich's IV. von Frankreich sind bisher vier bekannt geworden; und von den grossen
Bildern finden sich in der Versteigerung von Rubens' Nachlass vier als »unfertig« verzeichnet, von

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