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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 12.1889

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Lützow, Carl von: Die Kunst in Wien unter der Regierung seiner kaiserlich königlich apostolischen Majestät Franz Joseph I.
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https://doi.org/10.11588/diglit.3330#0033
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Ein Vergleich der hier
vereinigten Leitungen der
Achtziger-Jahre mit der
Hauptschöpfung der Sechs-
ziger-Jahre, dem Hofopern-
theater, ist für alle dabei in
Betracht kommenden Ge-
sichtspunkte von besonde-
rem Interesse. Von jedem
Geschmacksurtheil abgese-
hen zeigt sich, dass der
malerische Stil auf der gan-
zen Linie den Sieg davon-
getragen hat.
Dies charakterisirt auch
den heutigen Zustand und
die Richtung der gewerb-
lichen Künste. Als man vor fünfundzwanzig Jahren an ihre stilistische Reorgani-
sation heransehritt und zu diesem Zweck, wie oben berührt, das k. k. Österreichische
Museum für Kunst und Industrie gründete, fiel der Architektur die Führung
bei dem Wiederbelebungswerke zu. In ihr verkörpert sich der Stilbegrisf am
strengsten; iie ist die geborene Lehrmeisterin aller übrigen Künste. Sie musste schon desshalb zuerst
das Wort nehmen, weil die Reformbewegung in elster Linie gegen die bisherige Willkür und
Stillosigkeit gerichtet war. Wir haben gesehen, dass man das Heil Anfangs in der italienischen
Frührenaissance suchte, und dann auch die strengeren Stile des Alterthums und des Mittelalters für
das Kunstgewerbe wieder fruchtbringend machte. Durch das Eingreifen Makart's wurde das ganze
Gebiet der Alleinherrschaft der Architekten entrissen und malerischen Gesichtspunkten unterthan
gemacht. Das unvergleichliche Ensemble von Makart's Atelier darf als das Prototyp des modernen
Wiener Geschmacks hingestellt werden. Es beherrscht das häusliche Interieur wie das moderne
Ausstellungswesen. Orientalische Teppiche, schwere Seidenstoffe, japanische Vasen, Wasfen, ein-
gelegte Möbel u. dergl. bilden die Hauptelemente der allgemein beliebten Decoration. Der Sinn für
strenge Form hat dem Streben nach Ton und Farbe Platz gemacht. An die Stelle der einfachen
Linien und symmetrischen Ornamente traten in jüngster Zeit die gebogenen, geschweiften, spielenden
Zierglieder der Barockzeit. Der Cursus der Stile ist damit auch in der Kunstindustrie bei seinem
Endpunkte angelangt.
Dass man in der Cabinetmalerei, vom Porträt angefangen bis zum Stillleben, denselben Stil-
umsehwung spüren muss, braucht kaum getagt zu werden. Aber andererseits besteht für das eigent-
liche Bild, diese Welt im Kleinen, auch ein eigenes Gesetz. Wir stossen auf zahlreiche selbständige
Naturen, die das Wesen ihrer Kunst und ihrer Persönlichkeit zu charakteristischem Ausdruck bringen.
Wien hat seit den Tagen Amerling's und Kriehuber's immer tüchtige Bildnissmaler gehabt.
Aus der älteren Generation mag, von Rahl abgesehen, hier nur an Carl von Blaas und Wurzinger,
an Aigner, Schrotzberg und Raab erinnert werden. Unter den Jüngeren hat Sigmund l'Allemand
vornehmlich durch sein vorzügliches Loudon-Porträt gerechtes Aufsehen erregt; auch Eugen Felix,
Gustav Gaul, Griepenkerl, Rumpier, Leopold Müller, Huber, Vita und viele Andere können sich
 
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