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Die schöne Simottetta von Sandro Botticdli,

Zweifel herrschen. Man sehe doch nur die Hand an — sie
gibt, nebenbei gesagt, allen Schwätzern, welche Rembrandt's
geringes Gcschick im Malen von Händen behaupten, eine
Ohrfeige,— ob sie nicht unmittelbar nach dem Leben wieder-
gegeben wurde und ob sie nicht zum Kopfe vollkommen
stimmt? Der letztere erinnert an die echten Saskiaporträte.
Doch zeigt er auch so viel Abweichendes, dass man die
Kränklichkeit der Frau, während sie gemalt wurde, zur Er-
klärung anrufen musste. Der Kopf besitzt aber nicht einen
kränklichen, sondern nur einen gealterten Charakter; auch
spricht nicht Trübsinn, sondern eine wenn auch gemessene
Heiterkeit aus dem lächelnden Munde. Noch ein Umstand
bleibt zu bedenken. Ist es psychologisch wahrscheinlich,
dass Rembrandt seine verstorbene Frau mit reichem Putze
schmückte, dabei aber doch die Züge aus ihren letzten,
von Krankheit geplagten Tagen beibehielt? Leise Zweisel
an der Richtigkeit der Namengebung lassen sich nicht leicht
überwinden. Immerhin bleibt das Werk eine der schönsten
malerischen Schöpfungen des Meisters. Auch Unger's Ra-
dirung besitzt zwar nichts Geheimnissvolles, aber doch
überraschende Züge, zeigt dabei selbstverständlich die alte
Meisterschaft in der Handhabung der Nadel. Wir irren wohl
nicht in der Annahme, dass der Künstler sich diesmal die
weiteste Ausbildung des malerischen Elementes als Ziel
steckte und vor allem den weichen Ton, die an das Farbige
llreifende Gesammtwirkung bei seiner Arbeit anstrebte. Die
hellen Fleischtheile deckt er mit den zartesten Punkten und Strichen; die dunkleren Stellen wurden einer wieder-
holten Behandlung mit Atzwasfer und Nadel unterworfen. Man darf die Radirung nicht in unmittelbarster Nähe
betrachten. Da erinnert sie etwas an die Photogravure; in der richtigen Entfernung gibt sie den Charakter des
Originals trefflich wieder. Von der Waltner'schen Richtung, welche auch bei deutsehen Stechern grossen Beisall
fand, unterscheidet sich die Unger'sche Radirung zu ihrem Vortheil durch die sorgfältige Zeichnung. Der zweite
Wiener Künstler, W. Hecht, ist in der vorliegenden Lieferung durch zwei Blätter, das Porträt des Tyman Oosdorp
nach Fr. Hals und die bewegte See nach Jacob Ruisdael, vertreten. Dass die Wirkung des auch im Original breit
behandelten Kopfes eine glänzendere ist, als jene der Landschaft, hängt mit der grossen Schwierigkeit zusammen,
welche die Reprodufition der Schaumwellen im Vordergrunde mit den blossen Mitteln der Schwarz-weisskunst
bietet. Schon die Malerei hat Mühe, durch leicht geworfene Glanzlichter das Auf- und Niederwogen, den ewigen
Fluss ansehaulich zu gestalten; im Stiche kann eine gewisfe feste Körperlichkeit der Welle kaum vermieden werden.
Meistervoll ist das Spiel der Wetterwolken und das grelle Sonnenlicht, welches den Mittelgrund trifft, wiedergegeben.
Eine dankbare Aufgabe löste L. Schu/rj in der Radirung des Marktplatzes in Pirna nach Bern. Canaletto. Während
über der Hälfte des Marktes hellster Sonnenschein lagert, werfen die Häuser der anderen Seite starke Schlagschatten
auf den Platz. Hier ist von keinen verwickelten Lichtwirkungen die Rede, hier gilt es nicht, feine Tonstimmungen,
reichen Farbenschmelz oder den geheimnissvollen Zauber des Helldunkels nachzubilden. Die klare, scharfe Weise
Canalettos, seine überaus deutliche und genaue gegenständliche Auffassung erleichtert dem Stecher die Arbeit. Dem
letzteren ist es vortrefflich gelungen, die vollkommene Wahrheit und Treue der Ausfassung Canaletto's in der
Radirung wiederzugeben.
Die alte italienische Kunst ist durch das Blatt Krügers nach der Verkündigung P. Pollaiuolo's vertreten.
Gewöhnlich werden bei der Wiedergabe italienischer Gemälde aus dem fünfzehnten Jahrhunderte die krästigen
Töne vermieden, die klaren und scharfen Linien bevorzugt. Es war ein glücklicher Griff, dass Krüger unbekümmert
um doctrinäre Überlieferungen seine Radirung farbig schuf, so dass man von Weitem ein niederländisches Werk
vermuthen könnte. Denn gerade darauf beruht die Bedeutung der Florentiner Tafelmaler aus dem letzten Viertel
des fünfzehnten Jahrhundertes, dass sie nur die erhöhte Wirkungskraft der Farbe erkennen und nach einer satten
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