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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 13.1890

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Heft 3
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Bode, Wilhelm von: Berliner Malerradirer
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https://doi.org/10.11588/diglit.3812#0070
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Berliner Malerradirer
MAX KLINGER, ERNST MORIZ GEYGER. STAUFFER-BERN,

IE KUPFERSTECHKUNST, im weiteten Sinne des Wortes, verdankt
ihr Bestes: ihre Erfindung, ihre Fortschritte, ihre Meisterwerke, nicht
den Stechern vom Fach, sondern den Malern. Schongauer, Dürer,
Rembrandt slehen auch als Stecher und Radirer obenan und haben
erst die Bahnen gewiesen, die dann die Stecher vom Fach breit getreten
haben. Steht es heutzutage anders? Haben alle die »Professoren für
Stech- und Radirkunst«, deren fast jede Akademie einen oder selbsl
mehrere aufzuweisen hat, ihre Kunst wirklich vorwärts gebracht?
Oder hat nicht vielmehr gerade in unserer Zeit, die sich rühmt die
»Aristokratie des Geistes« zur Herrschaft gebracht und den Künstler
aus der Sphäre des Handwerks und über die Schranken der gewöhn-
lichen Sterblichen hinaus gehoben zu haben, die Stechkunst immer
slärkere Rücksehritte gemacht, weil vorwiegend Handwerker diese
Kunst ausübten, und obendrein Handwerker, die ihr Handwerk nicht
verstanden? Dass die modernen Stecher, dass die modernen Radirer
nur seiten echte Künstler waren, dies hat auch den Verfall des
eigentlichen Handwerksmässigen dieser Kunst herbeigeführt, und hat
sse sogar in eine Abhängigkeit von der Photographie gebracht, deren
Erscheinung und Wirkung nur zu viele unter ihnen bis auf die Irr-
thümer nachzuahmen bestrebt sind, anstatt innerhalb der Bedingungen
und der Mittel der eigenen Kunst etwas Eigenes, ein Kunstwerk an
sich zu schaffen.
Von diesen Abwegen hinweg, aus dieser Verkommenheit heraus
kann der Stechkunst nur durch wirkliche Künstler geholfen werden.
Vor allen anderen sind die Malerradirer dazu berufen. In der That
haben üe auch in der Entwicklung unserer neuesten Stech- und
Radirkunst, so Trefsliches von einzelnen Stechern und Radirern vom
Fach auch bei uns in Deutschland geleistet worden ist, den Ton
angegeben; ihnen verdankt dieselbe den Aufschwung, welchen sie
wenigstens nach einzelnen Richtungen, namentlich in der Radirung,
seit ein paar Jahrzehnten wieder genommen hat. Die franzölil'chen
peintres-graveurs, namentlich unter den Malern des »paysage intime«, die englischen Maler Herkomer, Whistler u. A.
haben die Radirung der alten holländischen Meilter in eigenthümlicher Art wieder belebt; andere Maler, namentlich
der Franzose Gaillard, haben in ihrer originellen Verbindung von Stichel und Nadel für die Stechkunst ein neues
wirkungsvolles Ausdrucksmittel gefunden.
In Deutschland dagegen ist, dank dem Zusammenwirken von Künstlerthum und Publicum in der Ablehnung
und Unterdrückung jeder wirklichen Originalität und dem dadurch nur verstärkten Mangel an echten Künstler-
talenten, der eigentliche Kupferstich eine fast ausgestorbene Kunst, und die Radirung hat nur Iangsam und unvoll-
ltändig sich geltend machen können. Ausgiebige Staatsunterstützungen zur »Wiederbelebung der Kupferstechkunit«
 
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