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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 17.1894

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Heft III-IV
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Norden, J.: Ilja Jefimowitsch Repin
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https://doi.org/10.11588/diglit.3327#0095
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De}' Bucklige. Studie zw' „Procesfion"

Die Studien und Skizzen zum Beispiel zu »Iwan dem
Schrecklichen« und zu den »Saporogern«, Menl'chen,
landschaftliche Studien, blosse Farbenstudien, Geräth-
ichaften, Luftstudien und so weiter, belaufen (ich auf
mehr als 100 Blätter, und das Meide von dem kommt
gar nicht einmal zur Verwendung; es hat oft nur dazu
gedient, den Maler aufs innigste vertraut zu machen
mit dem Geilt und Wesen dessen, was er darsteilen
wollte. . . .
Wenn ihn diele erstaunliche Gewissenhaftigkeit
von vielen seiner Berufsgenossen unterscheidet, so
zeichnet er sich auch noch dadurch aus, dass er sich
nie wiederholt, wie wohl andere Künstler, die, wenn sie
einmal einen belbnders glücklichen Wurf gethan, immer
wieder mit demselben Bilde oder wenigstens einem ganz ähnlichen auf dem Markt erscheinen. Ja,
selbst die directe Bestellung einer Wiederholung weist er zurück. Wenn's trotzdem Varianten zu
dem einen oder anderen Bilde gibt, so hat das, wie wir eben sahen, einen ganz anderen Grund
— der Künstler rang blos nach einem ihn ganz befriedigenden Ausdruck derselben Idee, nur um
sich selbst Genüge zu thun Und durch dielen Charakterzug lässt sich ferner auch erklären, dass er
manches fertige Bild überhaupt gar nicht in den Handel bringt, ja nicht einmal aus dem Atelier
heraus lässt, obschon es sicher bald Käufer finden würde. So sind mir eine Episode aus der Don
Juan-Sage und ein »Christus in der Wüste« bekannt, die auf keine Ausstellung gelangt sind. Aber
möglich ist's schon, dass wir in Jahren einmal — nicht denselben Bildern, aber denselben Motiven
auf einer Repin-Ausstellung begegnen werden ....
Ich bin zu Ende. — Ilja Jefimowitsch Repin, der erst in den letzten Jahren die Aufmerksamkeit
des Auslandes auf sich gezogen hat, weil er selbst nichts dafür gethan hat und russische Kunst
jenseits der Grenze noch lbgar unbekannt ist — er geht unbekümmert um verhimmelndes Lob und
schmähsüchtigen Tadel ruhig seinen eigenen Weg, eine der interessantesten Erscheinungen inmitten
der zeitgenössischen Maler Europas, weder akademisch-conventionell malend, noch zur strengen
Observanz des Impressionalismus und Naturalismus sich bekennend, weder ausschliesslich im
Realismus slecken bleibend, noch im Idealismus den Boden verlierend, weder ausschliesslicher
Ateliermaler, noch apodiktischer Freilichtier; weder berückend schön, noch originell hässlich malend
— immer aber fesselnd und packend, denn er ist ein Genie, leuchtend wie dieses und auch nicht
ohne geniale Verirrungen, des heutigen Russlands eigenartigster und potenzirt nationalster Maler,
wie er bald schon auch sein grösster Maler sein dürfte, denn stofflich hat er wohl sein letztes Wort
noch nicht gesagt. . . .
Er ist eben auf dem Wege nach Italien und Spanien, wo er, der keine Schüler hat und kein
Meisteratelier leitet, den böten, langen russischen Winter verleben will. Welche Ideen und Entwürfe
wird er jetzt aus der Heimat der Michel Angelo und Tizian, der Velasquez und Ribera mitbringen?
Man kann umso gespannter darauf sein, als er, der, wenn auch, wie gelagt, im Augenblick
keine Schüler hat, bald schon von einem ganzen Kreise solcher umgeben sein wird.
ImnächstenHerbst(1894) tritt die grosse Reform der kaiserlichen Akademie derKünste ins Leben.
Sie ist eine radicale. Sie stellt diese heute circa 130 Jahre alte Anstalt an die Spitze des gesammten
Kunstlebens des Reiches. Sie macht sie einerseits zu einer Kürpersehaft in der Art des Pariser
 
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