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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 17.1894

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Heft VI
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Bode, Wilhelm von: Die Kleinmeister der holländischen Schule in der Galerie des Fürsten Liechtenstein in Wien, [2]: Das holländische Stillleben, Die vlämischen Kleinmeister
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https://doi.org/10.11588/diglit.3327#0147
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malerischen grossen Fischmarkt kommen die Künstler auf die Composition des Fischbildes, in der
Universitätsstadt Leyden entsteht die eigenthümliche Darsteilung der »Vanitas«, in Amsterdam bringt
der Welthandel die herrlichsten Früchte des Südens, die bunten Vögel und farbenprächtigen Blumen
der beiden Indien auf den Markt und die Maler wetteifern in der Darsteilung derselbcn.
In der Liechtenstein-Galerie sind zahlreiche Bilder fast aller dieser Richtungen des Stilllebens
vertreten. Der Absicht der Sammler entsprechend sind die meiden von grösserem Umfang, um als
wirkungsvolle Decorationen zu dienen; mit Vorliebe sind es Bilder, die auf die Jagd Bezug haben.
Nur einige wenige haben einen intimeren Charakter.
An Fischsiücken besitzt die Sammlung nur eines, von dem alterthümlichen, derben Haager
Maler P. de Puter. Von dem in der Treue der Wiedergabe, Feinheit der Durchführung und im
Geschmack vorzüglichsten Meister unter den Stilllebenmalern, von Jan Davidsz de Heem, der durch
seinen langen Aufenthalt in Antwerpen ein Bindeglied für diese Gattung der Malerei zwischen
Holland und den spanischen Niederlanden bildete, sind einige tüchtige Bilder verschiedener Art
vorhanden (Nr. 777, 778 und eine neuere Erwerbung aus der Galerie Dubus de Gisigny in Brüssel).
Mehrere Bilder unter seinem Namen scheinen mir seinem Sohne Cornelis de Heem (Nr. 833 und 795,
letzteres hellfarbig wie ein Snyders) oder geringeren Malern anzugehören (Nr. 774 und 775).
Dagegen möchte ich ein, freilich sehr abweichendes Bild, das »Frühstück« unter dem Namen des
Heda (Nr. 808), als ein Werk des Jan Davidsz ansprechen, der in den verschiedenen Phasen seiner
Entwicklung, in denen er sehr verschiedenartig aber immer mit gleicher Meisterschaft sich zeigt,
eine kurze Zeit auch Stillleben ganz im Charakter der Heda, Claesz, Boelema und Anderer gemalt
hat. Ein bezeichnetes Bild der Art befindet sich im Privatbesitz zu St. Petersburg, ein zweites,
noch bedeutenderes in der Sammlung Thiem zu Berlin. Auch dieses Bild der Liechtenstein-Galerie
(datirt 1635) ist tresflich componirt, ausserordentlich delicat in dem kühlen silberigen Ton, vollendet
in der Darsteilung der Metallarbeiten und von besonders malerischer Behandlung. Ein echtes
charakteristisches Bild von Heda ist ein ähnliches Frühstück (Nr. 807, bezeichnet und datirt 1651),
während zwei andere Bilder gleichen Motivs unter seinem Namen (Nr. 805 und 810) nach dem
bräunlichen Ton wie nach der Zeichnung und Composition eher von seinem etwas älteren Landsmann
Pieter Claesz herzurühren scheinen. Die Trauben auf dem zweiten dieser beiden Bilder sind wohl
von der Hand seines Schwagers Koets, der nicht seiten mit ihm zusammen gemalt hat. Dem Pieter
Claesz ganz ähnlich, aber blonder im Ton und farbiger ist ein trefsliches kleineres Frühstück,
ein bezeichnetes Bild von dem seltenen Maler Pieter von Ovcrfchee (Nr. 773).
Blumenstücke sind von Rachel Ruyfch (Nr. 598 und 602) und von dem gefeiertsten Künstler in
seinem Fache, von Jan van Huyfum (Nr. 540 und 543), vorhanden.
Ein Amsterdamer Künstler, welcher sich in der Regel seinem grossen Landsmann, dem in der
Liechtenstein-Galerie leider noch fehlenden Willem Kalf anschliesst, Juriaen van Streeek, sleht in
zwei grösseren Bildern der Galerie, einem reichen Frühstück (Nr. 793) und einer »Vanitas
Vanitatis« (Nr. 797, datirt 1642) dem J. D. de Heem näher. Beide Bilder sind geschmackvoll in der
reichen Composition und von seiten feiner Färbung. CharakteristischeLeydenerVanitas-Darstellungen
sind die beiden kleinen, sehr sauber in kühlem Ton durchgeführten Bildchen von Evcrt Colier
(Nr. 506 und 507).
In Amsterdam, wo der reiche Mynheer auf den Höfen oder in seinen Landsitzen vor den
Thoren das bunte fremdartige Federvieh mit Vorliebe züchtete, entwickelte sich auch die Darsteilung
desselben in der Malerei sowohl als Stillleben — das todte Vieh, als Jagdbeute oder als Vorbereitung
zum Mahl — wie lebend auf dem Hühnerhof oder auf dem Weiher im Park. Die Liechtenstein-Galerie
 
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