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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 17.1894

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Heft VI
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Bode, Wilhelm von: Die Kleinmeister der holländischen Schule in der Galerie des Fürsten Liechtenstein in Wien, [2]: Das holländische Stillleben, Die vlämischen Kleinmeister
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https://doi.org/10.11588/diglit.3327#0155
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107
seither an Werken desselben weiter aufgefunden habe, eine nicht unbeträchtliche Zahl, namentlich
auch von rein landschaftlichen Motiven, hofse ich bald bei einer passenderen Gelegenheit zusammen-
stellen zu können.
Auf der Festung von Antwerpen, in der Brouwer mehr als ein halbes Jahr als politischer
Gefangener internirt war, lernte er, wohl in der spanischen Weinkneipe, deren bester Gast er war,
den jungen Bäcker der Garnison, Jofi van Craesbeeck kennen; unter seiner Leitung wurde dieser
zu einem recht tüchtigen Maler. Seine Bilder sind umso besser, je enger der Künstler sich seinem
Meister anschloss. Die vier kleinen Gemälde der Liechtenstein-Galerie gehören alle zu diesen besseren
Werken. Besonders ergreifend ist eine Darsteilung, die eine Scene aus dem eigenen Leben des
Künstlers wiederzugeben scheint: der junge Bäckermeister mit seiner Gattin, gefolgt von einem
Diener mit Fackel, kommt Abends spät aus der Stadt heim und geht durch das Thor zur spanischen
Festung, deren Wachen auf dem Wall sichtbar sind.
Auch der jüngere David Temers, über den Brouwer sehr mit Unrecht lange beinahe vergessen
war, steht nicht nur, solange Brouwer lebte, unter dessen unmittelbarem Einfluss, er hat auch sein
Bestes von ihm gelernt. Die Liechtenstein-Galerie hat mehr als ein Dutzend kleiner Bilder von
Teniers aufzuweisen; die Mehrzahl aus seiner späteren Zeit, flüchtig und oberflächlich, sich in der
Wiederholung derselben »magots« erschöpfend und ohne besonderen malerischen Reiz. Einige
frühere Bilder sind dagegen sehr beachtenswert)!. So ist der »Handel um den Schimmel« (Nr. 553),
wohl den Künstler selbst mit seinem ältesten Sohne im Stalle darstellend, in coloristischer Wirkung
und Feinheit der Zeichnung ein kleines Meisterwerk des Teniers. Von grossem malerischen Reiz ist
auch die Aifendarstellung (Nr. 556). Die Bauernscene (Nr. 484), die ihm zugeschrieben wird, ist
nur eine alte Copie, worauf auch die Inschrift D. TENIERS INV. hindeutet.
Unter Brouwer's frühesten Nachfolgern finden wir den David Ryckaert, der sogar Brouwer's
Bilder copirte; doch hat derselbe sich später selbstständiger entwickelt als Craesbeeck und andere
gleichzeitige Antwerpener Sittenmaler. Unter den beiden Bildern in der Liechtenstein-Galerie ist die
»Musikalische Unterhaltung« (Nr. 554, datirt 1650), ein in seiner Farbenwirkung, wie im Helldunkel
besonders angenehmes Werk des Künstlers. Ein paar dem C. E. Bißt zugeschriebene Bilder, ganz
kleine Scenen in einer Baderstube darsteilend (Nr. 619 und 620), sind, wenn überhaupt von ihm,
abweichend von seinen gewöhnlichen an G Cocx sich anschliessenden Bildchen; sie sind vielmehr
im Charakter der in Italien gross gewordenen holländischen Sittenmaler, wie A. Both und Jan Miel.
Von Gonzales Cocx hat Fürst Johann kürzlich in der Versteigerung Adrian Hope ein charak-
teristisches und trefsliches kleines Porträtstück erworben: Ein junges Ehepaar mit seinem Kinde auf
einer Terrasse; leicht und geistreich in einem hellblonden Gesammtton gemalt. Ein ähnliches Bild
des alten Bestandes scheint mir nur die Arbeit einer der vielen Nachahmer des Künstlers, deren
Namen uns meist unbekannt sind, weil die Bezeichnungen entfernt wurden, um sie als Bilder von
Cocx zu verkaufen.

Wilhelm Bode.
 
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