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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 17.1894

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Heft VI
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Kekulé von Stradonitz, Reinhard: Jacob Alberts
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https://doi.org/10.11588/diglit.3327#0157
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Sommer hat er in Ungarn zugebracht, einen Winter in Florenz. In Ungarn fand er Gelegenheit,
einige Porträts zu malen; den Aufenthalt in Florenz benutzte er dazu, bei Vinea zu sludieren.
Nachdem er so bald da, bald dort versucht hatte, sseh auszubilden, entschloss er sseh, nach Paris zu
gehen. Vier Winter, von 1886 bis 1890, hat er mit dem hingebendsten Fleiss, der grössten Strenge,
der unermüdlichsten Gewissenhaftigkeit unter der Lehre und Aufsseht von Jules Lefebvre und
Benjamin Constant gearbeitet. Allen, die ihn durch Unterricht zu fördern suchten, bewahrt Alberts
ein dankbares Gedenken; als seine Lehrmeister betrachtet er Lefebvre und Constant. Von Paris
aus war er, wiederum porträtmalend, kurze Zeit in London thätig. Sein regelmässiger Sommer-
aufenthalt waren schon damals, wie jetzt, die Halligen seiner nordfriesssehen Heimat. Die Winter
pflegt er seit 1890 in Berlin zuzubringen.
Wer dielen knappen Bericht über den Lehrgang des Künstlers liest und auch nur einen Blick
auf eines seiner Bilder wirft, dem muss etwas ausfallen, das in der That der Grundzug in Alberts'
Natur ist — seine in sseh selbst fest gegründete Eigenart und Selbständigkeit. Jansen, Diez, Vinea,
Lefebvre, Constant — von keinem wird man eine Spur in Alberts' Bildern entdecken; gewiss nicht
diese Meister sind es, die sich seine künstlerischen Ahnen nennen lasfen.
Das erste grössere Bild, dessen Gegenfitand Alberts dem Leben auf den Halligen entnahm, ist
die Beichte auf der Hallig Oland.
Das kleine, alte, schlichte Gotteshaus haben die Bewohner von Oland mit dem Geräthe und
dem Schmuck ausgestattet, wie er ihnen zur Hand und wie er ihnen der natürliche und liebste war.
Die Malereien der hölzernen Kanzel sind verblasst. Auf dem Hauptbild sieht man den auferstandenen
Christus in flatterndem Mantel, darunter die Worte »de uperstanding Christi, Marci 16«. Von der
Inschrift, die von der Stiftung Kunde gibt, erkennt man auf der sichtbaren Seite die Worte: »thon
Ehren und disser Kareken thom Zierde maken und setten laten 1620.«
Den aus Brettern hergerichteten Altar bedeckt eine rothe Altardecke. Auf den darüber gelegten
weissen Tüchern slehen grosse messingene Leuchter.
Vor der Wand sleht das Taufbecken. Darüber hängt ein grosses Bild mit der Kreuzigung
Christi. Im Mittelgrund erkennt man die blassröthlich beleuchtete Stadt; dahinter das Meer, das
wie die Lüfte im Abendlicht glänzt; auf dem Meer Segelschiffe. Für die Halligleute sind Meer und
Schifse die Welt, in der sie leben und in der sich für lie alles Grosse und Kleine abspielt. An der
Decke der Kirche ist als Hauptschmuck ein Modell des Danebrog, des alten dänischen Kriegsschiffes,
aufgehängt.
Vor dem Altar steht auf dem ungestrichenen Bretterpodium der noch jugendliche, ernste und
würdige Geistliche mit gefalteten Händen. Er blickt ruhig zu der kleinen Gemeinde hinüber, die
sich vor ihm versammelt hat. Drei Frauen und ein Mann lauschen in unbeweglicher Aufmerksamkeit
seinen Worten. Sie haben reichlich Raum in dem hölzernen Gestühl. Denn auf der Hallig leben
nicht viele Menschen, und von den nicht vielen sind die kräftigen Jünglinge und Männer alle zur
See. Aber alle kehren zurück, um ihr Leben in der Heimat zu beschliessen. Wer weiss, in welchen
Fernen und Gefahren ringend der segelte, der hier in der Kirche unter dem alten Grabstein zwischen
Altar und Gestühl zur Ruhe gebracht ist.
In dem Gemälde tritt die hohe Gestalt des deutlichen durch die Stelle, die er einnimmt, wie
durch Geberde und Färbung am auffälligsten, wie beherrschend hervor. In der malerischen Wirkung
wie in der gegenständlichen Bedeutung wird seine Gestalt noch gehoben durch die Nähe des Altars,
der Kanzel und des grossen Bildes mit der Kreuzigung. Die sitzenden Figuren, an die der Geistliche
seine Ermahnung richtet, treten trotz ihrer Überzahl gegen den Prediger zurück. Sie erscheinen
 
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