Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 17.1894

DOI Heft:
Heft VI
DOI Artikel:
Kekulé von Stradonitz, Reinhard: Jacob Alberts
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3327#0168
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext










119
Gesammtwirkung zusammenstimmt, i'ondern nunmehr, dessen was er will sicher, Stück für Stück
des Bildes, eines nach dem andern, bis zur letzten Vollendung ausführt, miniaturartig, mosaikartig,
oder, um ein treffenderes Gleichniss zu brauchen, wie eine überaus feine Stickerei mit dem Pinsel.
Dass er bei diesem Verfahren dennoch eine vollkommen einheitliche Gesammtwirkung zu erreichen
weiss, ist schon bei der Besprechung der einzelnen Gemälde hervorgehoben worden; und diese
Einheit wird nicht mit äusserlichen Hilfen, wie einer leichten dämpfenden Hülle über dem Ganzen
oder durch eine Abschwächung einzelner Theile nachträglich gewonnen, sondern jedem einzelnen
Werth an Licht und Farbe und jeder Form bleibt die ursprüngliche Kraft und Frische bewahrt.
Aus der versuchten Schilderung seiner Malweise geht auch für den, der Alberts' Bilder nicht
selbst kennt, hervor, dass er nicht in der Weise malt, durch welche die Jünger Manets ihre grossen
und überraschenden Wirkungen erreichen. Er setzt nicht, wie diese, die Farben in stark wirkenden
Flecken nebeneinander; er gehört vielmehr zu den Vertretern der Feinmalerei von derjenigen Art,
für die Bastien Lepage das glänzendste Vorbild ist. Die Kenntniss und Anschauung der wunderbaren
Werke dieses grossen Meisters können für Alberts nicht ohne Frucht geblieben sein. In seinen
Gemälden lässt Alberts die Figuren fast stets in ruhigen Stellungen verharren. Gewiss hängt diese
Vorliebe mit der Gewohnheit zusammen, auch die letzte Vollendung vor der Natur selbst zu geben,
da es nur bei solchen Stellungen möglich ist, das Modell viele Stunden hindurch ungestört in jeder
Einzelheit nachzubilden. Dass er den Reiz der Bewegung wohl kennt, zeigen seine Skizzen, und
wie fein ist zum Beil'piel die widerwillig unruhige Ruhe beobachtet, in die lieh das kleine Mädchen
auf dem Bilde der »Königsstube« fügen muss.
Das Pathetische und Phantastische, die Poesse des Märchens ist nicht das Gebiet, auf dem Alberts
heimisch ist. Er sieht echt künstlerisch in die Welt hinein, aber in die gegebene Welt der Wirklichkeit
und des täglichen Lebens. Dem entspricht seine Verwendung der Farbe. Er ist mit einem feinen Sinn
für Farbenwirkung und Farbenstimmung begabt; aber er sucht nicht die Schönheit und Wirkung
der Farbe an (ich auf, nicht die vom Licht belebte Farbe, sondern das farbig erscheinende Licht in
seinen Abstufungen.
Einem berühmten franzölischen Maler kam — zum Glück vor vielen Jahren — als er eine
Reihe deutseher Landschaftsbilder Iah, die verächtliche Frage auf die Lippen: est-ce que ces gens-
lä sont nes nulle part ? Aus Alberts passt dieser Vorwurf nicht. Trotz seiner französischen Lehrer
wurzelt er mit allen Fasern in seiner nordfriesischen Heimat.
Den hohen Werth der Dialektdichtung, den Goethe wohl zu schatzen wusste, kennt heute
jeder: Aus den Mundarten schöpft die allgemein deutsehe Sprache, wie jede andere Sprache, ihre
Lebenskraft. So würde man lieh auch in der bildenden Kunlt eine Dialektdichtung gerne gefallen
lasfen. Die Bilder der Halligen, wie sie uns Alberts vor Augen stellt, haben die trauliche Wirkung
von Dichtungen in der Mundart; aber es lind nur die gewählten Gegenstände und die liebevolle
Auffassung, die ihre Entstehung in der landsehaftlichen Begrenzung der engen Heimat verrathen.
Die Kunst, die diesen Namen verdient, kennt keine Dialekte und keine verschiedenen Sprachen,
sondern nur die eine ausdrucksvolle Sprache, die alle Völker verstehen können, und diese Sprache
ist es, in der Alberts seine Heimat °'el'childert hat.





BERLIN, Herbit 1894.

Reinhard Kekule.
 
Annotationen