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erzählender Sujets bis zur Aussprache des abstract Begriff 1 i che n, der Mittheilung einer symbolisch-
philosophischen Ideen- und Bilderwelt, zu ergehen. Damit ist aber die Ausdrucksfähigkeit der Radir-
kunst keineswegs erschöpft und selbstverständlich ist damit nicht gesagt, dass das eine das andere aus-
schliesst und dass der Künstler auf erzählenden Inhalt und dichtende Erfindung verzichten müsse,
der seine Ziele nach einer wesentlich anderen Seite hin verfolgt und eine Formenwelt schafft, in der
wir nicht gewissermassen lesen, sondern die wir vor allem schauend gemessen sollen. Für ihn

kann freilich die Bedeutung
des Gegenstandes als solchen
ganz zurücktreten. Das rein
Bildmässige, die Wirkung
grosser und ornamental um-
schriebener Formen, die in
klar gruppirten und sorg-
fältig abgewogenen Licht-
und Schattenwerten aus-
gedrückte Stimmung, der
Eindruck auf das Auge, kurz
das Malerische steht im
Vordergrund des Interesses,
bildet den Schwerpunkt des
künstlerischen Gehalts. Unter
den Radirern, welche ihre
Aufgabe hauptsächlich ma-
lerisch in diesem Sinne auf-
fassen, zeichnet sich der zur
Zeit in München und Dachau
lebende, in Freiburg geborene
Oscar Graf ganz besonders
aus durch die Bestimmtheit

lerischen Erfolge, die ihm in
der heutigen Kunstwelt eine
gesicherte und selbständige
Stellung geschaffen haben.
Um so auffallender mag es
klingen, dass wir seine
Thätigkeit und Eigenart als
Radirer bis zu einem gewissen
Grad einem von materiellen
Rücksichten abgedrungenen
Compromiss seiner künst-
lerischen Neigungen zu ver-
danken haben. Oscar Graf ist
von Haus aus Maler, die
Malerei steht für ihn obenan
in der Stufenleiter seiner
künstlerischen Interessen. So
hat er denn auch als Radirer,
seiner künstlerischen Natur
getreu, von vorneherein
danach gestrebt, der Radirung
möglichst starke malerische
Potenzen abzugewinnen. Den
Gang seiner Entwicklung be-
zeichnet ein stetes, zielbe-
wusstes und immer erfolg-

und Grösse seines künst-
lerischen Standpunktes und Oscar Graf, >Kinderbildnis«. Originalradirung
die Bedeutung seiner künst-
reicheres Fortschreiten auf diesem Weg zur Vollkommenheit. Auch die Wahl seiner Technik ist
dadurch bestimmt worden. Er bevorzugt die Aquatinta, die ja der Absicht einer malerischen Breite
und tonigen Feinheit des Vortrages ganz besonders entgegenkommt, und gerade seine wesentlichsten
Arbeiten sind vollständig oder doch vorwiegend in diesem Verfahren ausgeführt. Er hat es dabei in
der Beherrschung seiner Ausdrucksmittel zur Meisterschaft gebracht. Die Aquatintamanier, welche
die grösste Sicherheit der Hand und des Auges, die genaueste Vorherberechnung der Valeurs
erfordert, ist nicht jedermanns Sache. Er verfügt über sie mit einer Freiheit und erreicht in ihr eine
Vielseitigkeit, Feinheit und Kraft des Ausdrucks, wie sie mit den reicheren und ungebundeneren
Mitteln der Malerei nur wenige überbieten. Man betrachte einmal, wie er die Spiegelungen im
Wasser darstellt. Für ihn hat die Ausdrucksfähigkeit des Materials scheinbar keine Grenzen mehr.

Für die künstlerische Entwicklung Oscar Grafs in der angegebenen Richtung ist seine
Beziehung zu Dachau von tiefer und grundlegender Bedeutung geworden. Auf seine ersten
zeichnerischen Studien in München (Actzeichnen bei Knirr) folgen malerische Studien bei Holzel
 
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