Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
100

Edward Calvert, »Die Überschwemmung«.
Nach dem Originalholzschnitt.

keit; auf einem dritten sieht man zwei Liebende, die
sich in dem riesigen Kelche einer Wasserlilie umarmen.

Technisch ist Jerusalem durch seine Verwendung
der weissen Linie interessant. Einige der Zeichnungen
sind ganz in Weiss auf Schwarz gedacht und aus-
geführt. Ein ähnlicher Gebrauch der weissen Linie, der
in der Wirkung einigen modernen Lithographien gleich-
kommt, verleiht einigen Blättern von America: a
Prophecy grosse Schönheit. Das Blatt jedoch, das wir
aus diesem letzteren Buche für die Reproduction aus-
gewählt haben, ist in einer abweichenden Weise gezeichnet und hat eine gewisse Verwandtschaft
mit den breiten decorativen Blättern der Japaner.

Gegen das Ende seines Lebens schuf Blake einige Original-Linienstiche, welche zu seinen
allerbesten Arbeiten gehören. Die Inventions to the Book Job sind die berühmtesten und die
mit Recht am höchsten gepriesenen aller seiner Werke. Aufgewachsen in der mechanischen
Tradition der Linienstecher des achtzehnten Jahrhunderts, scheint er erst spät im Leben Werke
der älteren Meister der Stichelkunst gesehen zu haben. Sogar dann scheint er nur die Werke der
Schule des Marcantonio Raimondi gekannt zu haben; aber die freien und blühenden Linien
Bonasones enthüllten ihm die Fähigkeiten des Kupfers, und die Platten dieses Stechers waren die
Vorbilder, denen er in den Inventions to Job nacheiferte. Der hier wiedergegebene Stich
mit den Morgensternen, welche zusammen singen, zeigt Blake von seiner glücklichsten Seite: die
Frische und Glut seiner früheren Werke vereint sich hier mit der Grossartigkeit seiner Kunst in
den letzten Lebensjahren. Die wenigen Stiche zum Inferno — er schuf Zeichnungen für den
ganzen Dante, einige von grosser Kraft und Schönheit, stach aber nur jene paar in Kupfer —
müssen zu den hervorragendsten Originalstichen der neueren Zeit gerechnet werden.

Schliesslich müssen wir die einzige Folge von Holzschnitten erwähnen, die Blake ausführte,
— eine Serie von kleinen Schnitten als Illustrationen zu englischen Schäfergedichten, die dem
Vergil nachgeahmt waren. Diese erschienen 1820. Roh, aber ausdrucksvoll geschnitten, sind sie
voll phantasiereicher Eingebung und athmen eine Atmosphäre ursprünglichen arkadischen Lebens,
durchaus wahlverwandt des Künstlers Geiste. Es waren diese Holzschnitte, vielleicht mehr
als andere Werke Blakes, welche einen inspirirenden Einfluss auf die kleine Gruppe von
jungen Künstlern ausübten, die während der letzten Jahre zu Blakes Füssen sassen. Zu jenen
gehörten John Linell und Samuel Palmer, die Landschaftsmaler George Richmond, nachmals wohl-
bekannt durch seine Porträte, und Edward Calvert.

Von diesen ist Calvert der interessanteste und
originellste, wenngleich der am wenigsten bekannte.
Er stellte niemals aus und vernichtete infolge über-
strenger Selbstkritik die meisten seiner WTcrke. Erst
seit seinem Tode im Jahre 1883 ist der seltene Reiz
seiner Werke erkannt und gewürdigt worden. Die
Gallerie des Luxembourg in Paris hat ein schönes
Beispiel seiner Malerei, A Virgilian Pastoral; aber
das Britische Museum ist der einzige Ort, wo er

Edward Calvert, >Die Dame und die Krähen*

erschöpfend gesehen und studirt werden kann. Nach dem originaihoizschnitt.
 
Annotationen