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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 37.1914

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Glück, Gustav: Jan van Eycks Bildnis eines Mannes im Bruckenthalschen Museum in Hermannstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4205#0009
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vier Rändern des Bildchens nicht zur ursprünglich vom Maler beabsichtigten Wirkung gehören.
Das Antlitz ist als der wichtigste Teil der Darstellung durch die Umrahmung des hellblauen Seiden-
tuches höchst wirkungsvoll hervorgehoben. Die Hände sind im Vergleich zum Gesicht auffallend'
klein gebildet und werden dadurch auf die ihnen zukommende geringere kompositioneile Bedeutung
herabgesetzt; darin liegt wohl dieselbe künstlerische Absicht, wie wenn ein moderner Bildnismaler
die Hände seiner in den Köpfen sehr sorgfältig durchgebildeten Porträte im skizzenhaften Zustande
beläßt. Bei der in diesem Stile unerläßlichen völlig gleichmäßigen Durchführung aller Einzelheiten,
kann die kompositioneile Unterordnung der Hände nur dadurch erreicht werden, daß sie kleiner
wiedergegeben werden, als sie in der Natur erscheinen.

Alle diese künstlerischen Eigentümlichkeiten passen vortrefflich zu dem Stile des großen
Begründers der niederländischen Malerei Jan van Eyck, dessen Name gleich bei der Entdeckung
des Bildes genannt worden ist, und das feine, kleine Kunstwerk reiht sich ohne jeden Zwang ein
in die Reihe der bisher bekannten und beglaubigten Bildnisse dieses Meisters. Ihnen allen ist
dieselbe konzentrierte, den Raum füllende Komposition, dieselbe liebevolle Ausführung, dasselbe
feine Helldunkel eigen, und dieselbe innige, fast religiöse Empfindung durchweht sie. Am nächsten
verwandt unserem Bilde sind das leider durch Risse in der Farbschicht und durch spätere Über-
malungen etwas entstellte, doch unzweifelhaft echte Bildnis des Brügger Goldschmiedes Jan de
Leeuw vom Jahre 1436 in der kaiserlichen Gemäldegalerie zu Wien, das in der Komposition und im
Motiv mit unserem Bilde die größte Verwandtschaft zeigt, und das unvergleichliche Porträt der Frau
des Künstlers aus dem Jahre 1439 im Brügger Museum, in dem die Umrahmung des Gesichtes
durch eine blendend weiße Haube eine ganz ähnliche, wenn auch noch höhere Wirkung erzielt wie
in unserem Falle die Hervorhebung der Züge durch das Hellblau der Seidenbinde.

Nicht ganz leicht ist die Frage zu beantworten, was der Ring in der Hand des Dargestellten
bedeute. Meistens wird er in solchen Fällen als ein Zeichen bräutlicher oder ehelicher Treue
angesehen. Nach Analogie anderer Bildnisse mit diesem Motiv, deren Modelle, wie jener eben
genannte Jan de Leeuw mit Sicherheit als Goldschmiede nachweisbar sind, könnte man aber
auch den Dargestellten unseres Bildes für einen Goldschmied halten. Am burgundischen Hofe, an
dem so köstliche Werke der Goldschmiedekunst entstanden sind wie der herrliche Becher aus
dem Besitze Philipps des Guten im Wiener Hofmuseum, kann es den Meistern dieses Faches nicht
an Ansehen und Reichtum gefehlt haben; sie waren wohl in der Lage, sich von dem berühmten
Hofmaler ihres fürstlichen Herrn porträtieren zu lassen.

Gustav Glück.
 
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