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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 37.1914

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Frey, Adolf: Die Entstehungsgeschichte der Medaille auf Gottfried Kellers siebzigsten Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.4205#0087
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das Porträt äußerte er sich gerade so, wie er geschrieben hatte. Meine mitgebrachte Zeichnung
befriedigte ihn vollständig, und nachdem wir lange gezeichnet und modelliert hatten, glaubte er
seiner Aufgabe gewachsen zu sein.
Wir stehen nun so:

Nachdem ich ihm mitgeteilt, daß die Medaille am 19. Juli dem Jubilar übergeben werden
müsse und daß ich, wenn er sie bis dahin nicht fertigstellen und abliefern könne, das Modell
mitnehmen und in Berlin den Guß besorgen werde, sagte er, er könne die Medaille bis zu diesem
Zeitpunkt nicht fertigmachen, sondern einen Monat später. Wenn die Sache rückgängig gemacht
werden sollte, so verlange er keine Entschädigung, aber einstweilen arbeite er am Modell weiter,
weil ihn die Sache interessiere, und warte meine Entscheidung ab, die ich ihm von Berlin aus
mitteilen möge. — Diese Frist war mir sehr erwünscht, weil ich mich denn doch vor einem entschei-
denden Schritt über den Guß unterrichten wollte, denn mein Unterfangen konnte schmählich miß-
lingen. Und hier in Berlin mußte ich einsehen, daß mir die zu dieser Aufgabe nötige Fachkenntnis
mangelt und daß die Bronzegießer eben nur Handwerker sind.

Es scheint mir nun kein anderer Weg offen als der schon eingeschlagene, aber mit der
fatalen Verspätung. Von Scharff erwarte ich täglich ein Modell, kann mich zwar auf eine Ent-
scheidung der Kommission in Zürich berufen, welche unterdessen eingetroffen, was aber dann?

Etwas mir sehr Einleuchtendes hat Scharff bemerkt. - ,Warum denn soll die Medaille in
Gold gemacht werden? Goldene Medaillen repräsentieren einen Geldwert. Der Jubilar wird aber
seine Medaille weder versetzen noch verkaufen wollen; folglich kann sie nur Kunstwert für ihn
haben, wenn sie auch von Gold sein sollte. Eine silberne aber läßt sich viel schöner machen
mittels Abtönen und so weiter. Und dann kommt so eine silberne Medaille auf höchstens zwanzig
Gulden.'

Die folgende Woche muß ich noch hier bleiben. Sollten Sie mir noch Mitteilungen zu machen
haben, so bitte ich, es bald zu tun, wo nicht, so bleibt es bei der Bestellung mit einem Monat
Verspätung . . .

Scharff ist ein sehr netter und geschickter Mann. Es kann alles noch gut werden, und
Medaille billiger, wenn Silber.«

Den 27. Juni folgte noch eine Karte des Meisters aus Berlin:

»Wertester Herr Direktor. Heute verreise ich nach Leipzig und hoffe Dienstag oder Mittwoch
in Zürich zu sein. Scharff wird bald fertig sein, das heißt mit dem Wachsmodell, das ich hier
überarbeitet habe. Also auch das wäre endlich überstanden! — In der Hoffnung, Sie bald wieder-
zusehen, grüßt Sie freundlich Ihr

A. Böcklin.«

In Zürich hatte man, da nun die Medaille zur bestimmten Zeit nicht fertig werden konnte, ins
Auge gefaßt, Gottfried Keller am festlichen Tage wenigstens Böcklins Modell oder einen Gips-
abguß der noch nicht vollendeten Medaille oder eine Kopie des Scharffschen Modells zu über-
reichen oder doch vorzuweisen. Indessen ging man von diesem Vorhaben wieder ab und beschloß,
sich stillschweigend ins Unabänderliche zu fügen und das Geheimnis weiter zu hüten.

Scharff hatte noch ein ordentliches Stück Arbeit zu bewältigen, wie er den 22. Juni Albert
Müller zu wissen tut: »Heute habe ich aus Berlin das Porträtmodell zurückbekommen und bin
Anfang nächster Woche damit fertig. Um Ihnen einen Beweis von den wirklich schwierigen Ver-
hältnissen, unter denen diese Arbeit entsteht, zu geben, muß ich Ihnen folgendes anführen: mir
kam die letzte Zeichnung respektive Photographie danach, welche mir Professor Böcklin gab,

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