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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 37.1914

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Frey, Adolf: Die Entstehungsgeschichte der Medaille auf Gottfried Kellers siebzigsten Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.4205#0088
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ausgezeichnet vor, und ich glaubte nun, ein definitives Modell vor mir zu haben, kopierte selbes,
besonders nach den Verhältnissen, aufs sorgfältigste — und heute messe ich an dem mir wieder
gesandten Wachsmodell eine Korrektur des Professors nach, und zwar von der Nasenwurzel bis
zum Haarkontur von zweieinhalb Millimeter. Ich bitte Sie, sich die Größe des Modells zu vergegen-
wärtigen, und dann können Sie wissen, was dies bedeutet. Nun, daß da eine Riesengeduld dazu
gehört, werden Sie ermessen können. Nun aber bin ich, wie gesagt, in einigen Tagen fertig, und
dann wird gleich an die Stempel gegangen, um selbe in wenigst langer Zeit zur Prägung zu bringen.«

Den 24. Juli berichtete Müller, das Komitee halte an der Goldmedaille fest, und bestellte
zugleich fünfhundert Bronzemedaillen. Den 19. August richtete Scharff die Frage an ihn, ob
Böcklin einverstanden sei, wenn er unter das Brustbild setze: A. Böcklin inv. A. Scharff fec,
welche Unterschrift unter dem Avers für die ganze Medaille gelte. Böcklin stimmte zu.

Acht Tage später (17. August) berichtete Scharff, die Prägestempel seien vollendet und zur
Härtung abgeliefert. Den 2. September übergab er der Post die goldene und eine Silbermedaille.
»Da die Stempel für das Prägen der bronzierten Medaillen poliert werden mußten, so ließ ich die
Goldmedaille mit polierter Fläche schlagen. Sollte dies aber unangenehm sein, dann ist der Sache
sehr einfach dadurch abzuhelfen, daß man auf die Medaille etwas reines Öl gibt und mit einer
langhaarigen, sehr feinen Bürste, wie solche jeder Goldarbeiter hat, so lang bürstet, bis sie gleich-
mäßig matt wird. Ich bitte nur, bei der Zollbehandlung sehr vorsichtig zu sein, denn ein Finger-
abdruck ist nicht aus der Medaille herauszubringen.«

Nun endlich, beinahe zwei Monate nach dem Geburtstag, war es so weit, daß man dem
Dichter das edle Angebinde einhändigen konnte. Aber man ließ es noch anstehen, weil Böcklin
erst ein würdiges Kleid für das Geschenk beschaffen wollte, und zwar mit all der Genauigkeit,
womit er Kunstdinge zu betreiben pflegte. Nachdem er bei einem Buchbinder ein viereckiges
weißpergamentenes Etui mit etwas gewölbtem Deckel hatte anfertigen lassen, ersuchte er den
Bildhauer Professor Regl um eine Skizze für die Bemalung des Deckels. Regl entwarf einen Schild
in einem von Arabesken umrankten Kreise. Böcklin lobte die Erfindung, doch lehnte er sie ab:
»Wenn man,« sagte er, »den Deckel aufklappt, so erblickt man etwas Rundes, die Medaille. Es
darf also auf dem Deckel selbst nichts Rundes sein, vielmehr ist etwas Eckiges, Konstruktives
erforderlich.« Er wandte sich mit seinem Anliegen an Professor Albert Freitag, der ihm drei
Entwürfe vorlegte. Alle drei gefielen Böcklin, so daß er dem Urheber die Wahl freistellte. Die
erkorene Zeichnung teilt den Deckel durch zwei mit Blumen dekorierte Kreuzspangen in vier
etwas vertiefte Felder: jedes davon ist teilweise mit zwei weiblichen Figuren gefüllt, deren Unter-
leib in Arabesken ausläuft. Böcklin beabsichtigte diesen Entwurf selbst zu malen, mußte aber,
durch Krankheit ins Bett genötigt, Professor Freitag darum angehen, und zwar bedingte er sich
ausdrücklich mit Eiweiß angemachte Farben. Der Grund wurde erst vergoldet und dann darauf
gemalt. Da der Glanz des Goldes Böcklin nicht gefiel, so kaufte er, als er wieder ausgehen konnte,
einen Achat und polierte damit.

Den 13. September 1889 überreichten Kißling und Fleiner dem Dichter das Kleinod. Lange
heftete er wortlos die ernsten Augen darauf. Dann brachen ihm die Tränen hervor, und er seufzte:
»Das kann ich Ihnen sagen, meine Herren, das ist der Anfang vom Ende!« Die Ehrung freute ihn
dennoch vor allen übrigen. Er nahm den Schatz mit nach Baden, wohin er sich bald darauf begab,
und soll zuweilen nachts aufgestanden sein, um sich zu vergewissern, daß er noch da sei.

An einem Dezembersonntag, am achten des Monats, überbrachten Albert Müller und Stadt-
präsident Pestalozzi Böcklin die silberne Medaille ins Atelier.

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