sich ernsten Vorganges liegt in den beiden
Putten,von denen man nur dieuntere Hälfte,
einmal von vorn, einmal von hinten sieht,
und in dem seltsamen Attribut eines Regen-
schirmes, den die durch ein Pentimento um
Haupteslänge vergrößerte Maria unter dem
Arm trägt.
Klinger hat bekanntlich noch oft in
seinen Radierungen, Gemälden und Skulp-
turen auf biblische Stoffe zurückgegriffen.
Hier sollte nur von den Zeichnungen des
Künstlers die Rede sein, die, wie wir
gesehen haben, sämtlich seiner Frühzeit
angehören. Prinzipiell fortgelassen habe ich
alle Studien zu Radierungen oderGemälden,
weil sie besser mit diesen von tiefer philo-
sophischer Weltanschauung durchtränkten
Werken der goldenen Reife des Meisters
betrachtet werden. Klinger hat sein ganzes
Leben hindurch über die drei größten Pro-
bleme des Daseins nachgedacht, die der
Sterblichen Schicksal beherrschen und
lenken: Armut, Liebe und Tod. Er hat
sich naturgemäß auch mit dem Allheilmittel gegen diese drei beschäftigt, das die Menschen in
wechselnden Formen dagegen ersonnen und angewandt haben, mit dem Glauben.
Einen Reflex dieser Philosophie bildet unter anderm die schöne Titelumrahmung zu den 1883
erschienenen Dramen, wo Chronos, auf einem Säulenschaft stehend, mit wuchtiger Bewegung den
Sternenschleier von allen Religionen der Welt herabreißt, so fest sie auch auf himmelanragendem
Felsen gegründet scheinen. Hingestreckt liegen die griechischen Priester neben ihren verödeten
Altären, einsam ragt aus nächtlichem Dunkel das starre Antlitz der ägyptischen Sphinx und
Christus selbst stürzt, am Kreuze hängend, mit den klagenden heiligen Frauen in den Abgrund
der Zeit, während unten auf sonnigem Rasen die Schwalben zertrümmerte Tempelrestc umflattern.
Noch schärfer und schonungsloser hat er diesem Gedanken Ausdruck gegeben in einer Feder-
zeichnung von 1897, die den vorstehenden Betrachtungen gleichsam als Schlußvignette dienen mag.
Der Schritt der Zeit setzt den geflügelten Riesenfuß selbst dem dornengekrönten stillen Dulder, dem
Welterlöser, in den Nacken, der sich vergebens gegen die unerbittliche größere Macht stemmt.
Aus einsamer Höhe grüßen noch einmal die drei Kreuze von Golgatha, deren Sinn und Bedeutung
in weiten Äonen keinem Sterblichen mehr verständlich sein werden:
»Völker verrauschen, Namen verklingen, breitet die dunkel nachtenden Schwingen
finstre Vergessenheit über ganze Geschlechter aus«.
Max Klinger, Der Schritt der Zeit.
Federzeichnung 1879.
Dresden, 23. August 1920.
Max Lehrs.
»D
erklärte
Kornpo;
erläuter
geführt
nionumi
anstrebt
Al%b(
Als
»Ab
Putten,von denen man nur dieuntere Hälfte,
einmal von vorn, einmal von hinten sieht,
und in dem seltsamen Attribut eines Regen-
schirmes, den die durch ein Pentimento um
Haupteslänge vergrößerte Maria unter dem
Arm trägt.
Klinger hat bekanntlich noch oft in
seinen Radierungen, Gemälden und Skulp-
turen auf biblische Stoffe zurückgegriffen.
Hier sollte nur von den Zeichnungen des
Künstlers die Rede sein, die, wie wir
gesehen haben, sämtlich seiner Frühzeit
angehören. Prinzipiell fortgelassen habe ich
alle Studien zu Radierungen oderGemälden,
weil sie besser mit diesen von tiefer philo-
sophischer Weltanschauung durchtränkten
Werken der goldenen Reife des Meisters
betrachtet werden. Klinger hat sein ganzes
Leben hindurch über die drei größten Pro-
bleme des Daseins nachgedacht, die der
Sterblichen Schicksal beherrschen und
lenken: Armut, Liebe und Tod. Er hat
sich naturgemäß auch mit dem Allheilmittel gegen diese drei beschäftigt, das die Menschen in
wechselnden Formen dagegen ersonnen und angewandt haben, mit dem Glauben.
Einen Reflex dieser Philosophie bildet unter anderm die schöne Titelumrahmung zu den 1883
erschienenen Dramen, wo Chronos, auf einem Säulenschaft stehend, mit wuchtiger Bewegung den
Sternenschleier von allen Religionen der Welt herabreißt, so fest sie auch auf himmelanragendem
Felsen gegründet scheinen. Hingestreckt liegen die griechischen Priester neben ihren verödeten
Altären, einsam ragt aus nächtlichem Dunkel das starre Antlitz der ägyptischen Sphinx und
Christus selbst stürzt, am Kreuze hängend, mit den klagenden heiligen Frauen in den Abgrund
der Zeit, während unten auf sonnigem Rasen die Schwalben zertrümmerte Tempelrestc umflattern.
Noch schärfer und schonungsloser hat er diesem Gedanken Ausdruck gegeben in einer Feder-
zeichnung von 1897, die den vorstehenden Betrachtungen gleichsam als Schlußvignette dienen mag.
Der Schritt der Zeit setzt den geflügelten Riesenfuß selbst dem dornengekrönten stillen Dulder, dem
Welterlöser, in den Nacken, der sich vergebens gegen die unerbittliche größere Macht stemmt.
Aus einsamer Höhe grüßen noch einmal die drei Kreuze von Golgatha, deren Sinn und Bedeutung
in weiten Äonen keinem Sterblichen mehr verständlich sein werden:
»Völker verrauschen, Namen verklingen, breitet die dunkel nachtenden Schwingen
finstre Vergessenheit über ganze Geschlechter aus«.
Max Klinger, Der Schritt der Zeit.
Federzeichnung 1879.
Dresden, 23. August 1920.
Max Lehrs.
»D
erklärte
Kornpo;
erläuter
geführt
nionumi
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