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Otto Muck, Das Wunder zu Nain.

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Errungenschaften der Erfindung und des
technischen Geistes unseres Zeitalters ver-
herrlicht und eigentlich so gut wie keine
Nachfolge gefunden, wenn man von den
immerhin problematischen »Werkleuten auf
Haus Nyland« absieht. Es scheint paradox,
trifft aber zu, daß nichts so leicht zum
Selbstverständlichen wird wie eben das
Wunderbare: so völlig hat das Leben sich
einverleibt, was Ingenieure, Mathematiker,
Physiker, Technologen geschaffen, daß für
die Kunst kaum mehr etwas übrig blieb.
Vielleicht ist es bezeichnend für die Poesie,
daß Bücher wie die von Jules Verne und
Kurd Laßwitz vor der Zeit der entscheiden-
den Erfindungen ersonnen worden sind.
Fragen wir uns, welche großen Kunstwerke
wir haben, darin dasErlebnis des technischen
Leistens gestaltet wäre, so würde außer
Menzels »Eisenwalzwerk« und etlichen
Radierungen von Penneil und Brangwyn
nichts sonderlich Hochrangiges zu nennen
sein. Ein neuerer Künstler aber, der einem
solchen Stoff sich nähert, müßte ihn nicht

nur beherrschen, was freilich eine unerläßliche Forderung wäre, sondern auch ihn aus einem
neuen Geist betrachten, der unser zwanzigstes von dem nur wissenschaftlichen, nur sammelnden
und darstellenden neunzehnten Jahrhundert strenger scheidet, als jemals Epochen von einander
sich abgegrenzt haben. Ein Maler technischer Gegenstände kann niemals ein Naturalist sein. Eine
Ahnung des Geistes, der auch die Maschine aus einem höchsten Lebensprinzip erstehen läßt, müßte
ihn durchwalten, ein fester Glaube an diesen Geist, den Schöpfer, ihn durchseelen. Zugleich aber
müßte eine ungemeine Kraft der Phantasie alles aus seinem Bilde bannen, was bloß mechanisch
an den Objekten scheint, das Dämonische, das Magische jedoch, das eben in jenem Mechanischen
verborgen haust, hervorholen und als das Wesen der so gebändigten Kräfte, als die wir die
Maschinen zu betrachten haben, sieht- und deutbar machen. Die Aufgabe der Kunst: das Wirk-
liche nochmals zu erfinden: wo könnte sie glücklicher gelöst werden als an einem solchen Vorwurf?
Nicht zu einem bloßen Zierat steht das sophokleische Wort, daß, wie vieles auch gewaltig sei,
doch nichts so sehr gewaltig wie der Mensch, unter dem Titel. Denn die Maschine ist es, an der
die Gewalt des Menschen über die Natur, ja, über sich selbst, am sinnfälligsten hervortritt. Alle
anderen Werke des Menschen übertrifft sie an der eigentlich menschlichen Kraft: der Bewegung. Die
großen Kunstwerke stehen still oder verlaufen in ihrem gesetzten Maß: die Maschine aber, wie der
Mensch, wirkt, schafft, greift ein und über; Haupt, Rumpf, Arme, Beine, Stimme, Muskeln, Nerven
arbeiten menschlich an ihr. Es war darum dem Künstler nicht anders möglich, als sie irgend
menschlich oder doch naturhaft anzuschauen, umzufigurieren. Hier mußte die Phantasie einen Schritt
tun, der nun wohl die Gefahr der Anthropomorphisierung unvermeidlich machte, anderseits aber

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Zeichnung.

sich,
Ürii

50 wird
 
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