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Lehre am liebsten gleich mit dem breiten Pinsel beginnt, ohne sich die Finger viel mit Kohle zu
beschmutzen und daß Kupferstecher nur mehr als Beamte der staatlichen Notenpressen vorkommen,
Radierer aber auf dem Aussterbeetat stehen, meinend, das Aufblühen der Photographie entziehe
ihrer Kunst den Nährboden, während sie in Wahrheit Selbstmord begingen, indem sie mit unzuläng-
lichen Mitteln malerischen Wirkungen nachstrebten und die Eigenart ihrer Kunst verwischten. Das
geht natürlich nur aufs Große der Entwicklung: wer ein geborner Künstler ist, bleibt es auch in den
Verirrungen seiner Zeit. Es muß übrigens erinnert werden, daß die Radierung (im weitesten Sinne)
mit ihrem tiefen Schwarz und den verschiedenen Möglichkeiten der Tongebung für die Wiedergabe
farbiger Eindrücke noch weit günstiger gestellt ist, als die reine Zeichnung. Im Gegensatz zu den
späteren Radierern sind manche Künstler des Klassizismus wenigstens zeitweise nur Zeichner, alle
aber sind es an erster Stelle: sie geben die vielfach bloß innerlich geschauten Formen auf dem
Medium der Fläche wieder, wo Farbe dazukommt, ist das — grob gesprochen — eine Addition,
das Gemälde ist auch nur eine gefärbelte Zeichnung. Darum erscheint in diesem Zeitabschnitt als
Wiedergabe eines Gemäldes der Konturstich, also das bloße Angeben des Umrisses und der wich-
tigsten, formgebenden Linien innerhalb desselben vollständig genügend. Selbst die Modellierung
durch Strichlagen im Schatten fehlt oft gänzlich und ist immer eine Zutat, wie wir aus unzähligen
unvollendeten Zeichnungen der Zeit sehen können. Aber wie fein das Gefühl für die Bedeutung
der einzelnen Linie und die Ausdruckskraft ihrer graduellen Unterschiede sein kann, lehrt ein Ver-
senken — ein Blick tut's nicht — etwa auf den Argonautenzug von Carstens, den sein treuer Freund
und Schüler Koch liebevoll gestochen hat. Welche Nuanpierung diesen sparsam bemessenen Strichen
mitgeteilt ist, wird einem erst völlig zur Klarheit, wenn man die Stichfolge in der Originalausgabe
mit den gutgemeinten, aber doch unerträglichen Vervielfältigungen in Lichtdruck (herausgegeben
von H.Riegel, Leipzig 1884) oder gar in Photographie (Dresden 1875) vergleicht.

Da aber, wo die Zeichnung, besonnen auf ihre Aufgabe und ihr Wesen, sich beschränkt und
nur anstrebt, was sie mit eigenen Mitteln und nur sie allein bewältigen kann, da ist auch ihre Stellung
eine würdige: ein Zeichenblatt kann als selbständiges Kunstwerk gelten, ein Künstler von seinen
Zeichnungen leben und selbst Kellers Grüner Heinrich konnte eine Zeitlang sein Dasein vom Erlös
zerschnittener Blätter fristen, während in der Hochflut naturalistischer Malerei die Zeichnung, wenn
sie überhaupt sich vorfindet, nicht mehr Schätzung erlangt, als etwa eine Gußform, die ihren Zweck
bereits erfüllt hat.

Solche Verhältnisse, wie sie in der eben kurz berührten Entwicklung liegen, geben den Haupt-
grund für eine Tatsache ab, die sonst unverständlich oder seltsam bliebe, nämlich, daß in den öffent-
lichen Sammlungen bestimmte Perioden oder auch einzelne Künstler mit ihren Handzeichnungen
unverhältnismäßig reicher vertreten sind, als andere, die im übrigen keine geringere Beachtung
verdienen würden. Natürlich kommen noch weitere Umstände hinzu, wie sie durch Schenkungen,
wechselnde und unzureichende Dotierung und persönliche Vorliebe der Einflußnehmer gegeben
sind, der Hauptgrund liegt aber gewiß in der Entwicklung. In der Sammlung von Handzeichnungen,
welche mit der Bibliothek an der Akademie der bildenden Künste in Wien verbunden ist, finden sich
zum Beispiel zahlreiche Künstler des Klassizismus und der Romantik mit großen Opuszahlen ver-
treten, während sich von der Kunst uns näherliegender Zeiten bisweilen kaum eine ausreichende
Vertretung geben läßt.

Gegenwärtig scheint sich, und das steht mit dem Überwiegen inhaltlicher Momente in der
Kunst in engem Zusammenhange, gesteigerte Schätzung der Zeichnung anzubahnen; man hat sich
schon darein gefunden, in der Handzeichnung den unmittelbarsten und persönlichsten Ausdruck des



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