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ÖSTERREICHISCHE BUCHMALEREI DER GOTIK.

Unter den Veranstaltungen, die im Herbst 1926
helfen sollten, die Wirkung der Ausstellung »Go-
tik in Österreich« zu vertiefen, durfte die von der
Nationalbibliothek unternommene Ausstellung
gotischen Buchschmucks besondere Beachtung
beanspruchen; nicht nur weil sie in systematischer
Weise — an überwiegend österreichischem Ma-
terial — versuchte, den vielverzweigten Prozeß
zu illustrieren, der das gedruckte Buch und das
gedruckte Blatt des fünfzehnten Jahrhunderts
vorbereitet hat, sondern noch mehr, weil sie die
unmittelbare und unentbehrliche Ergänzung zu
den in der Hauptausstellung vereinigten öster-
reichischen Tafelbildern bot. Die Ausstellung »Go-
tik in Osterreich« beanspruchte kunsthistorisch
das Verdienst, sonst weit Zerstreutes gesammelt
darzubieten und so zu einer Revision der theo-
retisch gewonnenen Ergebnisse anzuregen; der
wirkliche Tatbestand hat für mein Gefühl sehr
eindringlich dara'h erinnert, wie sehr es innerhalb
der papierenen Konstruktion der Geschichte

Abb. 1. Missale, Kanonblatt. Stift Seitenstetten (Xr. 14).

unserer mittelalterlichen Malerei an festen Stütz-
punkten fehlt. Eine richtunggebende Überprüfung der Hypothesen, die das chronologische
Gerüst dieser Geschichte bilden, dürfte in erster Linie von der Miniaturmalerei her zu erhoffen
sein; denn in der Tafelmalerei mangeln in den ersteh Jahrzehnten alle klaren und fixen Da-
tierungen. Alles hängt hier in der Luft, während die gemalte Handschrift doch viel mehr Hand-
haben zu zuverlässigem Zeitansatz bietet.

Allerdings wird die österreichische Miniaturmalerei ihrer großen Schwester diesen Dienst erst
leisten können, wenn das Material ganz gesichtet und veröffentlicht sein wird. Die großzügige
Katalogisierung der illuminierten Handschriften in Österreich ist durch Krieg und Zusammenbruch
ins Stocken geraten; nur die Erschließung der reichen Miniaturenbestände der Nationalbibliothek
setzt H. J. Hermann in unübertrefflicher Weise fort, aber in dieser großen internationalen Sammlung
tritt das Österreichische verhältnismäßig zurück. Das Material österreichischer Herkunft aus den
noch unbearbeiteten Bibliotheken für die Zwecke der heimischen Kunstgeschichte systematisch

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